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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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gänzlich undenkbar zu sein.
    «Und wenn wir uns auf das Wort dieser Frau verlassen, dass alles in Ordnung ist?»
    Der Arzt kratzte sich im Nacken. «Wissen Sie, wenn sie … Also, bei einer Freundin Ihrer Frau hätte ich keine Bedenken, oder bei einer ausgebildeten Geburtshelferin.»
    Audrey packte Wakiurus Hand. «Aber sie ist meine Freundin!», rief sie. «Ohne sie hätte ich das nicht geschafft, und … und sie ist meine Freundin!»
    «Ihre Frau ist nicht bei Sinnen, Mr. Winston. Das ist die Geburt, danach sind Frauen oft tagelang völlig verwirrt. Ich empfehle, die Plazenta auszugraben und sie zu untersuchen.»
    Matthew zögerte. Er blickte zu Audrey, die noch immer Wakiurus Hand hielt, in ihrem anderen Arm schlummerte der Säugling.
    «Ich glaube ihr, wenn sie sagt, alles sei recht gewesen. Kommen Sie, Dr. Morton. Ich lasse Ihnen Abendessen machen. Sie bleiben wohl besser über Nacht, und morgen lasse ich Sie zurück nach Nyeri bringen.»
    Erst als die beiden Männer das Krankenzimmer verlassen hatten, ließ Audrey Wakiurus Hand los.
    «Danke, Memsahib», sagte sie leise.
    «Wofür?», wollte Audrey wissen.
    «Du hast mich in Schutz genommen vor dem weißen Daktari. Darum.»
    Das Kind wachte auf, und sein Mund suchte nach Audreys Brust. Sie öffnete das Nachthemd und legte es an, wie Wakiuru es ihr gezeigt hatte.
    «Wird ein kräftiger Kerl, dein Sohn. Bald kommt die Milch, und dann wächst er schnell.»
    Wakiuru stand im Schatten und wartete.
    «Was ist?», fragte Audrey. Sie konnte den Blick nicht von dem Jungen lassen. Er war so wunderschön.
    «Ich muss jetzt gehen. Ich glaub, wir sehen uns nicht wieder, Memsahib. Aber wenn du Fieber kriegst oder sonst Fragen hast, schick Kamau nach mir.»
    Audrey spürte die Enttäuschung wie eine große Welle über sich hinwegschwappen.
    «Wir sind also keine Freundinnen», sagte sie leise.
    «Nein, Memsahib. Freunde wird man nicht, wenn man es sagt. Freunde werden, dafür muss man etwas tun.»
    Aber du hast doch etwas getan!, wollte Audrey widersprechen. Trotzdem spürte sie, dass Wakiuru recht hatte.
    «Danke. Für alles. Kann ich … Gibt es irgendwas, womit ich dir eine Freude machen könnte, Wakiuru?»
    Die Kikuyufrau überlegte so lange, dass Audrey schon glaubte, sie würde gar nichts sagen. Schließlich antwortete sie: «Ich hätte so gern ein weißes Laken, wie du sie in deinem Schrank liegen hast.»
    «Ein weißes Laken?» Audrey war von diesem Wunsch überrascht. «Natürlich bekommst du eins. Darf ich fragen, wofür du das brauchst?»
    Wakiuru schüttelte den Kopf.
    «Also gut. Ich werde Kamau sagen, dass er dir ein Laken bringt. Danke, Wakiuru.»

[zur Inhaltsübersicht]
17 . Kapitel
    «Wie wollen wir ihn nennen?»
    Matthew beugte sich über den Korb und betrachtete seinen schlafenden Sohn. Er wirkte geradezu verzückt. Audrey verstand ihn gut – ihr ging es nicht anders. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an dem kleinen Kerl. Sie war zwar nach der Geburt erschöpft und müde, doch konnte sie keine fünf Minuten die Augen zulassen, ohne sie aufzureißen und sich davon zu überzeugen, dass dieses kleine Wunder wirklich neben ihr lag.
    «Ich weiß nicht. Sag du.»
    «Wie wäre es mit Christian?», schlug er vor. «So hieß mein Großvater.»
    «Christian ist schön.» Audrey machte keinen Gegenvorschlag. Sie wollte ohnehin nicht, dass ihr Kind nach ihrem Vater oder dem Großvater mütterlicherseits benannt wurde.
    Dies war ihr Neuanfang, und wenn ihre Familie nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte – dann wollte sie auch nichts mehr mit ihrer Familie zu tun haben.
    Christian wachte auf und quengelte, und sie hob ihn aus dem Korb und legte ihn an. Matthew starrte sie verblüfft an.
    «Was tust du da?»
    «Ich stille ihn.» Sie glühte fast vor Stolz.
    «Aber dafür gibt es doch Ammen?»
    Sie streichelte den zarten Flaum auf dem Kopf ihres Sohns. Unvorstellbar für sie, dass eine andere Frau dieses Kind säugen durfte.
    «Willst du dir eine Fremde ins Haus holen?», fragte sie. «Ich nicht.»
    «Dann nimm Flaschenmilch. Ich schicke jemanden nach Nairobi, der dir Flaschennahrung besorgt.»
    «Und was macht unser Kind bis dahin? Soll ich ihn hungern lassen in der ersten Woche seines Lebens?»
    «Dann lassen wir solange Mukami kommen. Sie ist zurück», fügte er hinzu.
    Audrey runzelte die Stirn. «Wer ist Mukami?»
    «Ach, du kennst sie ja nicht. Sie ist das Mädchen, mit dem unser Missionar damals durchgebrannt ist. Kurz vor unserer … Hochzeit.»

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