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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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an, und irgendwann ließ auch der vernünftigste Buchhaltersohn oder Kinderarztenkel seine Hemmungen fallen und erkundigte sich: »Was kostet eigentlich eine Flasche Schampus?«
    Chico und seine Freunde begnügten sich mit einem Bier, während sie die Menge nach Mädchen ohne Begleitung absuchten.
    Das Problem war, dass Chico, obwohl wackerer Anwalt und neuerdings sogar abenteuererprobt, in Bekanntschaftsanbahnungsgesprächen versagte. Dass man seiner Gesprächspartnerin ins Ohr brüllen musste, um den Krach zu übertönen, war nicht gerade hilfreich.
    »Ciao! Ich heiße Federico.«
    »Waaas?«
    »Federico!«
    »Ah! Ich Paola!«
    »Magst du was trinken!!?!«
    »Was ist mit winken?«
    »Nein! Trinken!!«
    »Ah! Ja!«
    »Klasse Sound, was?«
    »Ja!«
    Und dann? Dann wusste Chico nicht weiter. Es war ein geheimes Leiden von ihm, ein Wurm in seinem Herzen, zumal seine Kumpel Gianca und Ramon überhaupt kein Problem hatten, sich mit dem erstbesten Mädchen, das sie angequatscht hatten, in eine Ecke zu verziehen.
    An diesem Abend jedoch hatte Chico, der bei seiner dritten Flasche Heineken war, eine Begegnung. Und glaubte sich betrunken, denn er traute seinen Augen nicht.
    »Das gibt’s doch nicht …«
    »Ja, da schau her, was für ein Zufall!«
    »Hören Sie.« Chico wich einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber …«
    »Keine Angst!«, fiel ihm Tommaso Porta ins Wort. »Wenn Sie gestatten, würde ich mich gern entschuldigen.«
    Die Unterhaltung verlangte nach Ruhe, und deshalb deutete Porta stumm auf den Ausgang, und Chico, obgleich geschockt, verweigerte sich dem Abenteuer nicht. Draußen jedoch verhielt sich Porta erstaunlicherweise vollkommen vernünftig. Zwar war sein Blick noch immer ein wenig starr, doch er lächelte lieblich, siezte seinen Anwalt und schien ehrlich bußfertig.
    »Es tut mir wirklich leid, ich habe die Nerven verloren. So was ist mir noch nie passiert!«
    »Laufen Sie immer mit einem Messer in der Tasche rum?«
    »Ich benütze es, wenn ich zum Angeln gehe. Dass ich es neulich dabeihatte, war reiner Zufall, glauben Sie mir.«
    »Aber so ein Verhalten, Porta, ist einfach nicht hinnehmbar, das verstehen Sie doch.«
    »Ich weiß, ich weiß … Aber schauen Sie, ich leide in letzter Zeit unter Schlaflosigkeit und hatte zwei Nächte nicht geschlafen; außerdem hänge ich sehr an Malvaglia, und der Gedanke, dieses Grundstück zu verlieren … Bitte, Herr Rechtsanwalt, verzeihen Sie mir!«
    Chico verzieh ihm. Insgeheim war er skeptisch und vermutete, dass Porta am fraglichen Abend sternhagelvoll gewesen sein musste. Aber er war ein großmütiger Mensch und gewillt, seinem Mandanten eine zweite Chance zu geben.
    »Hören Sie, ich rede noch mal mit meinem Chef über Ihren Fall. Vielleicht kann ich ihn umstimmen.«
    »Könnte ich nicht selber mit ihm reden?«, fragte Porta. »Vielleicht gelingt es mir, ihn zu überzeugen. Schauen Sie, der Ausbau des Stausees ist eine derartige Umweltschande, dass …«
    »Ja, schon gut! Vielleicht lässt es sich machen. Ich sag Ihnen Bescheid, okay?«
    Porta erging sich in Dankesbezeugungen.
    »Es ist kein leichter Fall, ich weiß«, sagte er zum Abschied und reichte seinem Anwalt die Hand. »Aber man muss es doch probieren, oder? Man muss es doch erst auf dem Rechtsweg versuchen, bevor … bevor man aufgibt. Oder?«
    Chico nickte leicht genervt und verabschiedete sich von seinem Mandanten. Das Abenteuer war wieder in weite Ferne gerückt. Dann tauchte er wieder ein in die Hölle des Casanova , um die lange Luganer Nacht bis ins Letzte auszukosten.
     
    »Na so was!«, rief Francesca verblüfft aus. »Wir kennen uns doch!«
    Tommi setzte eine unbestimmte Miene auf, als erinnerte er sich nicht.
    »Aber ja«, sagte sie. »Vom Zug nach Mailand, letzte Woche. Du bist in Lugano ausgestiegen.«
    »Na klar!« Tommi strahlte. »Haben wir nicht über unsere Beziehungskisten geredet?«
    Francesca wandte den Blick ab und lächelte ein wenig verlegen.
    Sie waren in Locarno in einer Buchhandlung an der Piazza Grande. Francesca, die zwischen den Neuerscheinungen stöberte, sah das neueste Werk von Andrea De Carlo in Tommis Hand. Er folgte ihrer Blickrichtung und fragte: »Hast du’s gelesen?«
    Francesca nickte.
    »Ja, ist nicht schlecht, aber sein bestes ist es nicht.«
    » Zwei von zwei hat mir gefallen.«
    »Ja, mir auch«, sagte Francesca.
    Und damit war ein Thema gefunden, sie gingen sämtliche Bücher von De Carlo durch, und am Ende verstand es sich von

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