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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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…«
    War das eine Frage? Laffranchi wusste es nicht.
    »Um die Wahrheit zu sagen«, begann er, »irgendwas wusste er vielleicht doch.«
    »Wie bitte?«
    »Kurz bevor er verschwand, rief er mich an und bat mich um die Telefonnummer eines Kollegen, der sich mit Wirtschaftskriminalität befasst. Jetzt weiß ich allerdings nicht …«
    »Und Sie haben sie ihm gegeben?«
    »Ja, ich glaub schon, aber leider …«
    »Wer war das?«
    »Das weiß ich eben nicht mehr.«
    Schweigen.
    »Es tut mir leid.« Laffranchi umklammerte den Telefonhörer. »Ich erinnere mich an wirklich vieles, und ich zerbreche mir seit Tagen den Kopf, aber … Es ist natürlich schon sehr lang her.«
     
    Jeden Abend sprach Tommi mit den Fotos an der Wand des leeren Zimmers: Andrea Porta, Desolina Fontana, Alessandro Vassalli, Giovanni Pellanda, Elia Contini.
    Sein Vater und Desolina ermutigten ihn, und die anderen stritten aus ihrer jeweiligen Perspektive über Recht und Unrecht. Tommi aber fragte sich, wieso Contini nicht auf seiner Seite stand, wieso er schwieg und die Wut für sich behielt. Der Rechtsweg, wenn er gemeinsam mit den anderen Eigentümern beschritten wurde, war doch immer noch eine gewisse Hoffnung. Aber es reichte nicht, es brauchte eine entschiedene Geste.
    An diesem Abend erneuerte Tommi seinen Vorsatz.
    »Warte«, flüsterte er dem Foto des Bürgermeisters Pellanda zu. »Ich bin so weit, im Ernst. Morgen. Morgen bring ich dich um.«
    Der Bürgermeister schien zu lächeln und sein Schicksal hinzunehmen. Tommi hatte sich die Route seines morgendlichen Spaziergangs eingeprägt, er hatte sich mit dem Hund gutgestellt, er hatte alles vorbereitet: Der Plan stand bis ins kleinste Detail.
    Aber Tommi war kein Killer. Es fehlte ihm an Mut. Warum, warum half ihm Contini nicht? Er war auf dem besten Weg, mit Elias Freundin warm zu werden, er hätte alles mit ihm teilen können, Vergangenheit und Gegenwart.
    Er hatte sogar den Anwalt Malfanti getroffen, im Casanova - gut, das war ein Zufall. Aber Francesca, die hatte er in der Buchhandlung an der Piazza Grande abgepasst. Und mit ihr über Andrea De Carlo diskutiert - er, der nie ein Buch von ihm wirklich gelesen hatte. Aber er machte sich Freunde - lauter Freunde, die ihm helfen konnten. Weil er im Recht war. Wer stünde nicht auf seiner Seite?
    Als Kinder hatten Elia und er alles geteilt.
    Und jetzt befand Tommi sich in einem Nachtclub in Biasca. Denn Tommi wollte alles mit Elia teilen, alles, auch die Liebe. Und er schlang die Arme um eine Frau mit langen roten Haaren, im Dunkeln, und redete sich ein, sie seien schwarz, und murmelte: »Francesca …«
    Die Frau sagte nichts. Was ein Glück war, denn sie hatte einen ausländischen Akzent, und das hätte alles verdorben. Sie fuhr ihm mit einer Hand durch die Haare und den Rücken abwärts, kratzte und keuchte. Er wurde steif; er küsste sie auf den Hals und schob eine Hand zwischen sich und sie, um ihren Busen zu kneten. Sie wand ihre Beine um ihn und bog den Kopf zurück.
    Tommi beschnupperte ihr Haar. Er nahm Shampoo- und Schweißgeruch wahr. Er dachte an Francescas Augen, an ihre Art, lächelnd den Kopf zu schütteln, an ihre Hände mit den schmalen Fingern. Er glitt mit den Lippen abwärts zu ihrer Brust, biss sie, küsste sie und dachte währenddessen an Francescas Brust unter dem Pullover, dann streichelte er ihre Schenkel und sah Francescas übereinandergeschlagene Beine in Jeans, während sie bei einem Glas Weißwein über Elia redeten.
    Dünne Beine hatte Francesca. Nervöse Beine, die ihn umklammerten, leicht knochige Knie. Die Hüften aber viel weicher - eine Pause in den atemlosen Liebkosungen, lang genug, um die Wärme der Haut zu spüren. Das war Leben, etwas Echtes, das nur für Tommi da war.
    Seine Hände glitten über Fleisch. Den glatten Bauch, die Haare, die Hüften, den Hintern. Die Hände erkundeten Francescas Körper. Und sie stöhnte und schob ihm die Zunge ins Ohr, und Tommi dachte jetzt an gar nichts mehr, und für einen Augenblick kam sein Geist zur Ruhe und entschwand an einen Ort weit fort von Malvaglia, vom See, von Francesca und Elia und dem Tod des Bürgermeisters Pellanda.
     

5
    Spaziergang mit Black
    »Black!«
    Bürgermeister Pellanda verlor die Geduld.
    »Black! Komm sofort da her, sag ich!«
    Wieso war der Hund so unruhig? Pellanda zurrte seinen Schal fest und zog sich die Mütze über die Ohren. Es hing noch die Kälte der Nacht in der Luft, und der Bürgermeister hatte seine Handschuhe vergessen. Er

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