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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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ans Fenster: Nichts als Schnee, Schnee, wie eine Mauer rund ums Haus. Er schenkte sich ein Gläschen Grappa ein und leerte es in einem Zug. Davon wurde die Übelkeit besser, nicht aber das Kopfweh. Er setzte sich auf einen seiner Rohrstühle gegenüber dem dunklen Fenster und machte sich auf eine schlaflose Nacht gefasst.
    Morgen würden sie ihn holen, kein Zweifel. Die Geschichte der Morde von Malvaglia stand kurz vor dem Ende. Hier war der Mörder, allein in seinem großen Haus mit seinen vor Müdigkeit brennenden Augen und seinem pochenden Kopfschmerz. In seinem Geist tauchten die Gesichter der Toten auf, von seinem Vater über Pellanda und Vassalli bis hin zu Tommi, und zuletzt erschien ihm der zerzauste Leichnam der alten Desolina.
    Es gab kein Entrinnen. Morgen würden sie ihn holen.
     

19
    Hinter dem Spiegel
    Keinen überflüssigen Gegenstand gab es in Kommissär De Marchis Büro. Karteikästen, Aktenschränke, ein uralter Schreibtisch, Landkarten an den Wänden: alles abgenutzt, aber gediegen und so unverrückbar, als hätte jedes Objekt nach jahrhundertelangen Wechselfällen hier endlich seinen idealen Platz gefunden.
    Chico Malfanti betrachtete den Commissario und dachte, auch er schien jahrhundertelange Wechselfälle hinter sich zu haben.
    »Herr Anwalt, ich will Sie ja nicht unter Druck setzen.«
    Der Kommissär wartete ein paar Sekunden, wie um Chico Zeit zur Widerrede zu geben.
    »Aber«, fuhr er fort, als nichts kam, »Sie müssen zugeben, dass das alles reichlich merkwürdig ist. Weshalb ruft ein Nachwuchsanwalt mitten in der Nacht bei unserem Hauptverdächtigen an? Und rein zufällig gibt es tags darauf schon wieder einen Toten im Zusammenhang mit dem Fall Malvaglia. Was war denn so wichtig, dass Sie Contini um diese Uhrzeit anrufen mussten?«
    Chico schüttelte den Kopf. »Die Frage habe ich bereits beantwortet.«
    »Aber sehr unbefriedigend! Glauben Sie vielleicht, wir sitzen hier aus Jux und Tollerei?«
    »Bitte?«
    »Contini ist kein Mandant von Ihnen. Hier gilt keine anwaltliche Schweigepflicht.«
    »Könnte doch sein, dass Contini mir ein Mandat erteilt hat.«
    »Ach ja? Als Strafverteidiger, wenn er vor Gericht steht, oder wie? Glauben Sie, das befördert Ihre Karriere?«
    »Es gibt keine Beweise, die Contini als Mörder überführen.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich folge meiner Intuition.«
    Bei dem Wort »Intuition« schien der Kommissär innerlich zusammenzubrechen. Seine Hand schoss zum Feuerzeug auf seinem Schreibtisch und ließ in regelmäßigen Abständen die Flamme emporschnellen und wieder verlöschen.
    »Malfanti, ich bitte Sie! Sie als Anwalt sollten es besser wissen! Was hätte irgendeine schwammige Intuition hier verloren?«
    »Fakt ist, dass keine Indizienbeweise gegen Contini vorliegen. Porta kann durchaus der Mörder sein! Er hat Selbstmord begangen, oder?«
    »Woher wissen Sie das?«
    Aha, der Kommissär versuchte ihm eine Falle zu stellen. Aber so leicht lässt sich ein Anwalt nicht ins Bockshorn jagen.
    »Von Ihnen selber, Herr Kommissär, Sie haben es mir gesagt. Ich darf Sie zitieren: Porta hat sich mit einem Schuss in die Schläfe getötet.«
    »Er sich«, seufzte De Marchi, »oder jemand anderes ihn. Wissen Sie, was in Portas Abschiedsbrief stand?«
    Chico zuckte mit keiner Wimper.
    »Das weiß ich nicht. Was stand drin?«
    »Es gab keinen!«, rief De Marchi und sprang unvermittelt auf. »Keine einzige verdammte Nachricht! Nur ein paar Fotos und seitenweise mathematisches Zeug.«
    »Mathematik?«, fragte Chico. »Vielleicht …«
    »Was denken Sie denn«, unterbrach ihn der Kommissär. »Da begeht einer Selbstmord, nachdem er drei Menschen umgelegt hat, und empfindet nicht das leiseste Bedürfnis, zu erklären, weshalb?«
    »Könnte dieses mathematische Zeug nicht vielleicht eine verschlüsselte Botschaft sein?«
    »Ich seh schon, Sie sind ein Freund von Fernsehkrimis.«
    De Marchi stand mit dem Rücken zum Fenster. Hinter ihm schneite es ununterbrochen.
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte Chico. »Vielmehr meine ich …«
    »Es reicht!« Der Kommissär setzte sich wieder. »Continis Telefon wird überwacht. Das wussten Sie nicht, aber wir wissen, dass Sie ihn angerufen haben. Wenn Sie’s drauf anlegen, bis zum Hals in der Scheiße zu stecken, dann ist das genau der richtige Weg dorthin.«
    »Ich protestiere energisch!« Chico kehrte den Anwalt heraus. »Ich protestiere auch gegen Ihre unorthodoxen Verhörmethoden und Ihre haltlosen Verdächtigungen. Ich

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