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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Ewo
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warum die Sonne gähnt und zögert aufzustehen.
    »Äh   … Jerry   …? Was machst du   … äh, denn da?«, bringe ich mühsam hervor.
    »Wir sind nicht zu unserem Vergnügen hier«, erwidert er.
    »Nein, sind wir das nicht?« Ich schaue auf meine zermarterten Beine. Sie sehen aus, als wären sie im Krieg gewesen. Aber das passt ja zu einem Dämon.
    »Wir wollen doch den Riesenhecht fangen, oder?«, fragt Jerry verärgert und breitet die Arme aus, als hätte ich gerade die dümmste Idiotenfrage auf der ganzen Welt gestellt. »Ich habe es bei Walden nachgelesen. Er schreibt, dass du keine richtig großen Fische später am Tag fangen kannst. Jedenfalls normalerweise nicht. Walden rät allen richtigen Anglern, früh anzufangen. Was außerdem ein unglaubliches Naturerlebnis verspricht. & das dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Nicht wahr, Bud?«
    »Äh   … ich   … ich lasse mir das gern entgehen«, muss ich zugeben.
    »Quatschkopf!«, sagt Jerry, als hätte ich nichts kapiert. »Sieh zu, dass du dich fertig anziehst. Wir müssenlos. Es ist von äußerster Wichtigkeit, ganz ehrlich, dass wir so schnell wie möglich in den Wald & an einen der Seen kommen. Wir wollen uns doch die Chance nicht entgehen lassen, den Hecht zu fangen, nach dem sich schon Tausende von Anglern alle zehn Finger lecken. Genau in diesem Moment tummelt er sich in einem See da oben im Wald & wartet nur darauf, unseren Köder zu schnappen, & kann sich kaum noch zurückhalten bei dem Gedanken, auf dem Mittagstisch deiner wunderbaren & freundlichen Eltern zu landen, die doch Fisch so lieben. Gibt es einen besseren Platz, seine Tage zu beenden, als in dieser Küche?«
    Ich könnte mir gut vorstellen, auch Jerry in diesem Moment seine Tage beenden zu lassen. Seine Seele in die Hölle zu schicken. Hier mitten im Garten. Ganz umsonst. Ich würde mir sogar die Mühe machen, seine Leiche unter den Brennnesseln bei den Johannisbeersträuchern zu vergraben. Nur um ein, zwei Stunden weiterschlafen zu können.
    »Frühstück«, piepse ich stattdessen wehmütig.
    »Wir essen etwas, während wir gehen«, erklärt er gnadenlos und zeigt mir, was er in seinem Rucksack hat: Angelausrüstung, Butterbrote und eine gefüllte Thermoskanne. »Warum hast du auf dem Rasen geschlafen?«
    Ich zucke mit den Schultern, aber er kommandiert: »Nun komm schon! Hopp, hopp!« Er zeigt auf den Haufen von Kleidern und Schuhen, der mir gehört.
    Ich seufze schwer.
    Und komme schwerfällig auf die Beine.
    Alles ist mühselig.
    Und dieser Morgen ist grausam.
    »Sei nicht so ein Weichei.« Er schnürt den Rucksack zu. »Ich gehe jetzt los & dann kommst du gleich hinterher. Oder ist das so schwierig?«
    Ich ziehe mich an, schnüre meine Schuhe und sehe Jerrys Rücken den Weg hinaufwandern. Neben meinen Füßen steht der Rucksack. Also ist es mein Job, Packesel zu sein. Was habe ich anderes erwartet?
    Ich eile los, hole ihn aber erst ein, als wir schon oben auf der Reveheia sind.
    »Was für ein Leben«, sagt Jerry und dreht sich der Sonne zu, die ihre Stirn über den Horizont schiebt und einen Strahl von blassem Morgenlicht herüberschickt. »Spüre es in dir, Bud!«
    Ich drehe mich um, blinzle in die Sonne und denke, wie dumm es ist, dass ich das Mückenspray vergessen habe. Denn es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 75   %, dass wir von allem möglichen ekligen Kriechzeug gestochen werden. Ich kann mir vorstellen, wie sehr Mückenstiche auf Brennnesselblasen jucken. Zu 95%iger Sicherheit wird es grausam.
    »Was erwarten wir eigentlich von unserem Leben?«, fragt Jerry. Ich weiß nicht, ob er mit mir oder mit der Sonne spricht. »Solange wir das hier haben   – das alles sehen   – die Wärme der Sonne auf dem Körper spüren   – hier im Wald stehen & seinen Geruch wahrnehmen & und all die Tiere in ihm   – ich glaube, dann brauchen wir sonst nichts auf der Welt. Dann ist es perfekt. Mir fällt nichts ein, was uns fehlen könnte.«
    Während er redet, öffne ich das Paket mit den Butterbrotenund esse zwei Scheiben. Brot, Käse, Schinken werden zu einer göttlichen Einheit und verhelfen mir dazu, etwas von alldem zu verstehen, was Jerry offenbar fühlt.
    Er plappert weiter über die Schönheit des Lebens und ist in seine eigenen Worte verliebt. Ich schaffe es, eine gute Tasse Kaffee zu trinken, während wir unsere Nasen in der Morgensonne wärmen.
    »Aber jetzt haben wir einen Fisch zu fangen!«, ruft Jerry plötzlich und eilt weiter den Weg entlang.

2.   EIN

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