Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
alternativen, nicht nachvollziehbaren Niveau, auf dem das, was für uns andere große Probleme darstellt, gar kein Problem ist. Deshalb lenkt er seine Schritte dorthin, wo Maggie angelt.
Ist sie den ganzen Tag dort gewesen?
Geht sie nie nach Hause?
Es durchfährt mich ein Stoß von Verliebtsein, als ich sehe, wie sie ihre Muskeln beim Werfen anspannt.
Jerry, Selma und ich suchen uns eine Stelle fünfzig Meter entfernt. Aber selbst auf diese Entfernung hinkönnen wir spüren, dass es Maggie nicht gefällt, dass wir hier sind.
»Ich werde mit ihr reden«, bietet Jerry an, rennt zu ihr und fängt an zu plappern.
Angel, Leine, Haken. Ich bringe Selma sorgfältig das wenige bei, was ich weiß. Und bald werfen wir beide unsere Köder aus und lassen den Schwimmer auf der Wasseroberfläche treiben – am Haken die Hoffnung aufgespießt.
»Worüber reden die denn so lange?«, fragte Selma missmutig.
Ich schiele zu Maggie und Jerry hinüber, Jerry grinst. Maggie schlägt sich auf die Schenkel und lacht laut. Ihr Lachen rollt wie ein ferner Donner über das Wasser.
»Hmm«, sage ich.
»Genau«, sagt sie verschmitzt.
»Was?«, frage ich verwirrt.
»Bud ist eifersüchtig«, sagt sie.
»Halt den Mund!«, belle ich. »Spinnst du?«
»Immer mit der Ruhe«, erwidert sie. »Ich kann ja verstehen, dass es blöd ist, wenn dein bester Freund dich total vergisst und sich nur noch um das Mädchen kümmert, in das er verliebt ist. Da würde ich mir auch fast wünschen, dass sich jemand in mich verliebt. Und dass ich einen so guten Freund hätte.«
Man könnte durchaus glauben, dass es so zusammenhängt.
Aber die Welt besteht nun mal zu 99 % aus Missverständnissen, der Rest ist Zufall. Das ist Buds Weisheit in Reinkultur. Doch es passt dem Dämon aus derHölle ausgezeichnet, dass niemand seine Gefühle für Maggie durchschaut hat.
Und es ist nur gut, dass Selma nicht begriffen hat, dass Jerry in sie verliebt ist. Weniger gut ist es, dass Selma nicht begriffen hat, dass ihr allerbester Freund neben ihr steht.
15. BUD AN DER LANGEN LEINE
Unser Angelabenteuer wird zu einer merkwürdigen Show.
Jerry ist ein Magnet, der ständig den Pol wechselt.
Er redet lange mit Maggie. Sie finden einen gemeinsamen Ton. Es zerschneidet mir das Herz wie ein Angriff mit sieben Messern. Ich mag nicht einmal die Sandwichs essen, die ich geschmiert habe. Fünf mit Schinken und Käse. Fünf mit Hähnchen in Curry.
Doch dann – ungefähr so, als wäre ein Gong im Wald ertönt und hätte signalisiert, dass die Runde vorbei ist – kommt er zu uns gerannt. Hektisch. Atemlos. Selma grinst, sagt jedoch nichts. Ich starre ihn ernst und möglicherweise wütend an.
Vielleicht begreift sogar Jerry – mitten in seinem eigenen Durcheinander –, dass es da etwas gibt, was ich nicht mag. Er versucht, überfreundlich zu sein. »So, jetzt läuft es, mein Lieber, Bud, der beste aller meiner Freunde. Wie schön, dass du die Stellung gehalten hast. Was würde ich nur ohne dich machen? Alles ist unter Kontrolle. Ich glaube, es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir unsere Charmeoffensive gegenüberMaggie fortsetzen. Ich habe es geschafft, sie zu besänftigen, & jetzt ist es in Ordnung für sie, dass wir hier angeln. Anfangs wollte sie uns vorschreiben, wo wir unsere Angeln auswerfen dürfen. Ganz zu schweigen von den Haken. Was für ein Temperament dieses Mädchen hat! Übrigens ist sie gerade erst nach Tipling gezogen. Vor vierzehn Tagen. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass sie einen guten Eindruck von der Lokalbevölkerung bekommt.«
(Was erklärt, warum ich sie hier oben noch nie zuvor gesehen habe.)
Dann bemerkt Jerry, dass Selma neben uns steht.
Die süße Selma, in die er auch verliebt ist. Und ihm fällt ein, dass sie der Grund ist, warum er zu uns zurückgekommen ist – schließlich wird er ja auch von Selma angezogen. Der Magnet in ihm ändert den Pol um 180 Grad und bald hat er nur noch sie im Blick. Seine Gehirnzellen laden alles über Selma. Und er wird ganz aufgedreht von dem Gespräch mit ihr.
Es gibt viel, was ich bei Jerry nicht verstehe. Und das ist jetzt so ein Augenblick.
Ich begreife nicht, wie sein Körper überhaupt Platz hat für all diese unglaubliche Energie, die nach allen Seiten ausströmt. Die ständig wechselt zwischen Rastlosigkeit, Unruhe, Zielstrebigkeit und Chaos. Ich begreife diesen Jerry einfach nicht, der tausend Jerrys sein kann. Jerry, der wie ein Vulkan ist, der zwischen Ausbruch
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