Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
und Ruhezustand wechselt. Jerry, der traurig sein kann, manisch, verdammt cool oder vollkommen erledigt – und das Ganze im Laufe von nur einer Stunde.
Jetzt schwitzt er und müht sich ab und redet mit Selma und sein Gehirn schmiedet hundert kleine, verzwickte Pläne, wie er sie rumkriegen kann.
Und dann kommt es ganz unerwartet: »Bud, ich denke, du solltest mal rübergehen & mit Maggie reden. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht sauer wird. Schenke einem Neuankömmling eine kräftige Dosis der guten alten Gastfreundschaft von Tipling. Na los, Bud!«
Ich bin kein Jerry-Magnet.
Ich bin stattdessen 105 zitternde Kilo, die eine Scheißangst vor dem süßen Mädchen dahinten haben, das gerade jetzt einen zappelnden Fisch an Land zieht. Sie tötet ihn schnell und sicher, direkt vor unseren Augen.
»Beeil dich, Bud«, sagt Jerry verärgert. »Das kann doch nicht so schwer sein, mit ihr zu reden. Maggie ist cool.«
»Ich muss …«, sage ich, ohne zu ahnen, was ich muss.
»Ja, ich denke, du solltest zu ihr gehen«, sagt Selma.
Selma hat einen merkwürdigen Glanz in den Augen. Der in mehreren Farben blitzt und blinkt. Etwas, das die Spur eines Traums in sich trägt. Etwas von einem Regenbogen und anderem, nicht Benennbarem.
Selma ist Jerry verfallen. Sie hat vergessen, dass sie einen Tom-Darter-Typ beim Fernsehen finden wollte.
Die Probleme türmen sich haushoch. Zuerst weiß ich gar nicht, warum ich mich eigentlich um sie kümmern soll. Doch dann fällt mir ein, dass ich ja hier in Tipling bleiben werde, auch wenn der Wirbelwind,der Riese, die Flutwelle Jerry sich wieder nach Angler zurückgezogen haben wird. Eventuelle Probleme werden an mir hängen bleiben. Das ist faktisch – nach den Erfahrungen aus früheren Sommern – zu 100 % sicher.
Ohne weitere Einwände trotte ich hinüber zu Maggie und gucke mir ihren Fisch an. »Äh … äh … hübsch …«, äußere ich mich intelligent und nicke der Fischleiche zu.
»Äh … ja«, antwortet sie. Ebenso intelligent wie ich.
»Sind es noch mehr …?«, frage ich, obwohl ihr Eimer voll ist von den Wasserbewohnern.
»Nee … doch …« Sie wirkt unzufrieden.
»Schöne … äh … Fische.« Ich werde das Stottern nicht los.
»Ja, ja … äh … schon«, antwortet sie.
Ein Gespräch ist nicht gerade unsere stärkste Seite. Wir halten lieber den Mund.
Ich sehe ihren Arm an – ihren schönen braunen Arm –, während sie wieder auswirft.
Ich schiele verstohlen auf ihren Po, ihren Busen, das Haar, die Wange und denke jede Menge Gedanken, die wie kleine Sardinen herumwimmeln.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dastehe. Aber ich wache davon auf – als hätte ich geschlafen –, dass Jerry mich in die Seite stößt. »He, alter Gauner!«, sagt er. »Hier stehst du also & redest die arme Maggie um Kopf & Kragen! Ihr müssen die Ohren ja schon klingen! Du musst dich ein bisschen zurückhalten, Bud. Das geht nicht, einfach immer nur kopflos drauflosrennen & erwarten, dass die Leute weiterhin höflichbleiben. & ich denke, Selma wird dahinten ziemlich einsam. Kannst du sie nicht ein wenig mit ein paar Angelgeschichten aufmuntern?«
Ich werde an einer langen Leine zwischen Selma und Maggie befestigt.
Ich trotte ohne Protest hinüber zu Selma und höre nur noch, wie Jerry zu Maggie sagt: »Du, dieser Riesenhecht. Darüber würde ich gern was wissen …«
Sobald ich mich selbst neben Selma geparkt habe, sagt diese sauer: »Worüber REDEN die eigentlich so lange?«
Ich seufze und hole Sandwich Nummer eins, zwei und drei heraus. Schiebe sie mir hinter die Kiemen und füttere die Maschine.
Gebe Selma Sandwich Nummer vier, aber sie lehnt dankend ab und murmelt etwas vom Fat-Camp, in das sie ziehen wird.
Wir schielen beide zu Jerry und Maggie hinüber. Die quatschen im 10 0-Kilometer -pro-Stunde-Tempo. Das ist kein zähes Gespräch mit Räuspern und vielen »Ähs«. Jerry ist total auf Maggie konzentriert und hat Selma vergessen. Sie wird neben mir immer saurer.
»Was MACHEN die da?!«, zischt sie.
Ich seufze und konzentriere mich auf Sandwich Nummer vier, fünf und sechs.
Und bald ist Jerry zurück.
Selma wird gleich wieder sanft, während er nur SELMA, SELMA, SELMA sieht.
»Könnte ich dich um einen kleinen Gefallen bitten, Bud?«, fragt er und ich gebe als Antwort nur einen Seufzer, stehe auf und gehe zu Maggie. Er redet zumeinem Rücken, während ich mich schon entferne: »Maggie wollte so gern
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