Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
in einer Liga, nicht wahr, Martin?«, fragte er und schlug mir kameradschaftlich auf den Rücken.
Ich murmelte etwas, das er beliebig interpretieren konnte. Liga? Was bildete er sich ein?
Die Stunde begann und Valen sagte: »Ich denke, wir fangen heute mit dem Bock an, Leute.« Er wollte gleich zur Sache kommen und mich testen.
Wir bugsierten die Geräte auf ihre Plätze und stellten sie in einer langen Reihe auf, um zu springen.
»Martin«, sagte er. »Du als Erster.«
Valen wollte gerne wissen, woran er bei mir war.
Ich stellte mich als Erster in der Reihe auf, was ihm gefiel. Jetzt glaubte er, dass der Vorfall vom letzten Mal erledigt war.
»Und … Sprung!«, rief er.
Aber ich blieb ruhig stehen.
»Martin?«, fragte er und kämpfte mit sich, ruhig zu bleiben.
»Äh … ja?«, erwiderte ich.
»War das nicht klar, was ich gesagt habe? Du bist dran mit Springen.«
»Nein«, sagte ich.
Es verging eine Minute mit Schweigen. Es wirkte jedenfalls wie eine ganze Minute. Wenn eine ganze Sporthalle mit rund dreißig Schülern und einem wütenden Lehrer eine ganze Minute lang still ist, dann erscheint diese Minute wie eine Ewigkeit.
Jetzt schlich sich die Ewigkeit durch die Halle.
»Tritt zur Seite und bleib da stehen, Martin«, sagte Valen, mit rotem Gesicht. »Dann ist Alex dran.«
Und Alex sprang. Landete brauchbar. »Schön«, sagte Valen.
Usw., usw.
Auch diese Stunde über weigerte ich mich. Ich stand an der Absprungmarke und konnte nur daran denken, wie sehr ich doch all dieses Weiß hasste. Die Geräte. Valen. Und ich spürte, wie ich mich ungerecht behandelt fühlte. Das war vielleicht nicht logisch. Aber es erschien mir logisch. Als wäre in meinem Leben alles schiefgelaufen und als müsste jetzt alles verändert werden.
Ich fühlte mich bloßgestellt. Und das hatte ich viel zu lange zugelassen. Ich war nicht für mich selbst eingetreten. Für meine Interessen. Und das Schicksal hatte die Gelegenheit genutzt, mir gegenüber gemeiner zu sein, als ich es verdiente. Ja, ich weiß, dass das Ganze nicht logisch klingt. Aber so sahen meine Gefühle aus.
Ich stand ruhig an der Markierung und sah den anderen beim Springen zu. Sah ruhig Valen an. Und sah, so ruhig ich konnte, den verhassten Bock an. Und spürte, dass er mich in all seiner weißen Pracht verhöhnte. Und ich dachte, dass das hier nicht meine Absprungmarke ist. Meine Absprungmarke ist ganz woanders. Ich will selbst entscheiden, wo und wann ich abspringe und welche Hindernisse ich zu überwinden habe.
Nach der Stunde gingen alle in den Umkleideraum, aber Valen hielt mich zurück. »So kann das nicht weitergehen«, sagte er.
»Nein«, sagte ich.
»Nächste Stunde musst du springen«, sagte er.
»Nein«, antwortete ich.
»Kannst du dir vorstellen, was das für Konsequenzen hat?«, fragte er, als hätte ich die Auswahl zwischen Gefängnis und Todesstrafe.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Glaube mir. Hier wird es eine Veränderung geben«, sagte er. »Und jetzt sieh zu, dass du unter die Dusche kommst. Nach all dem Schwitzen heute hast du das nötig.«
Und es gab wirklich eine Veränderung. Denn das war der Tag, an dem ich in die Kellerwohnung zog. Mein Entschluss dazu fiel auf dem Heimweg. Jetzt wollte ich etwas entscheiden. Alles, was weiß und schön war, sollte nicht länger übermich bestimmen. Jetzt wollte ich einmal das Sagen haben. Jetzt sollte ich den Absprungpunkt setzen und den ersten Schritt machen, der mein eigener war.
Ich brauchte zwei Stunden, um hinunter in die Einliegerwohnung zu ziehen.
Das war ein unglaublich gutes Gefühl. Es war das beste Gefühl, das ich seit Jahren erlebt habe.
Mit freundlichen Grüßen
Bud Martin
19. ZWEI STERNSCHNUPPEN - WAS ERGIBT DAS?
Mit dieser schönen Stimmung beende ich die E-Mail an Starbokk und schicke sie los. Lehne mich zurück und wünschte, der Rest meiner Geschichte wäre ebenso nett. Was er aber definitiv nicht ist.
Ich muss raus. Dieses Mal denke ich daran, Schuhe anzuziehen. Keine Glassplitter in die Pfoten, oh nein!
Ich gehe summend über den Rasen.
Ich gehe den Weg entlang, vor mich hin summend.
Ich komme zu dem Absatz und dem gefliesten Pfad und singe leise einen Song, den ich mal eben so komponiert habe. Eine Art Wanderlied, das vom Wegziehen von etwas und vom Ankommen bei etwas anderem handelt.
Ich begrüße den Pavillon, der mich oben auf dem Hügel erwartet.
Keuche und puste und spüre ein leichtes Brennen in der Lunge, während ich mir einen freien
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