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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Ewo
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Hals, wie man sie macht, wenn Essen, Atmen und alles durcheinandergekommen sind.
    Sie ist immer noch rot. Was mich auch erröten lässt.
    Das wird nichts, also grinse ich wie doof und sage: »Ich muss nur mal   … äh   … nur mal   … ’ne Kupplungsstange   … äh checken. Die Kupplung, weißt du   … äh   … die Stange, um   … äh   … na, für die Kupplung. Glaub ich jedenfalls   … äh   … so eine   … ist verloren gegangen.«
    Und dann verschwinde ich, bevor sie antworten kann.
    Ich bin kurz vorm Platzen.
    Möchte aber nicht, dass das hier passiert.
    Renne zwischen zwei Zelte und komme in eine Art Niemandsland. Wo zwei Zeltreihen mit dem Rücken zueinander stehen.
    Ich senke den Kopf und lasse meinen Tränen freien Lauf.
    Richte mich nach einer halben Minute wieder aufund sehe Jerry ganz in der Nähe der kleinen Freilichtbühne.
    Jerry und Selma stehen zusammen an einer der Lautsprechersäulen.

9.   MERKWÜRDIGE SCHATTEN
    Sie stehen ganz dicht beieinander, höchstens mit zwei Zentimetern Abstand. Das erinnert mich an einen Liebesfilm, den ich einmal gesehen habe. Der Held und die Heldin haben während des größten Teils des Filmes miteinander gestritten und gekämpft. Dann kommt der Wendepunkt, an dem sich alles beruhigt.
    Alle Worte sind gesagt.
    Alle Gesichtsausdrücke verbraucht.
    Alles, was sie zu Feinden gemacht hat, ist weg.
    Sie nähern sich und bleiben wortlos stehen   – in der Kurz-vor-dem-Kuss-Stellung   – und ihre Gesichter sind absolut ausdruckslos. Nur die Augen sind aufeinander fixiert.
    Geigen sind im Hintergrund zu hören. So habe ich es in Erinnerung.
    Und auch hier geschieht das Magische. Auf der MOT O-Show in Vanger wird es absolut still. Getränkeverkäufer, Glücksrad und Leute, die für Kupplungen Reklame machen, und Maggie und Bud und die Wachleute und die Imbissverkäufer und ein Typ, der einen gebrauchten Volvo Amazon loswerden will, und der Mann, der in seiner Bude Rostentferner für den Unterboden anbietet, und die Dame, die einen graublauenSitzbezug für einen Vierradantriebstrecker kaufen will, und Hunde und Motoren und alles, was einen Laut von sich geben kann   – alles hört auf, auch nur einen Laut von sich zu geben.
    Stille   – Stille.
    Lautlos. Ohne Ton.
    Es bleiben nur Jerrys und Selmas Gesichter, zwei Zentimeter voneinander entfernt, sodass sich sein Atem mit ihrem mischt.
    Jerry hat plötzlich etwas an sich, was Selma an Tom Darter erinnert. So sieht er jedenfalls in der Sekunde aus, bevor er sich charmant einen Kuss erobert. Ich mag gar nicht mehr hingucken. Ich sinke auf dem Gras nieder und starre in den Himmel.
    Die Geräusche kommen zurück wie der Knall eines Jagdflugzeugs, das die Schallmauer durchbrochen hat.
    Warum kann ich nicht genau das sagen und tun, was Jerry sagt und tut?
    Ich bin in allem das Gegenteil von Jerry. Er traut sich alles. Und ich traue mich nichts. Er kann reden. Ich kann nur stottern und mich räuspern. Er versteht von vielen verschiedenen Dingen etwas. Ich verstehe nur von einem etwas   – von Motoren. Er hat jede Menge Energie. Ich bin müde. Er ist dünn. Ich bin fett.
    Ich denke an Selma und plötzlich habe ich Angst, dass sie mit ihm verschwindet und ich sie niemals wiedersehen werde. Der Gedanke daran, allein in dem Wartehäuschen zu sitzen, ist fürchterlich. Dort eifersüchtig zu hocken, weil sie mich vergessen hat   – seinetwegen!
    Ich tue mir selbst leid.
    Weil er alles hat, was ich nicht habe. Er ist genau so, wie ich gern wäre. Er verkörpert alles, was ich niemals erreichen werde.
    Um nicht weiter daran denken zu müssen, studiere ich stattdessen intensiv die Wolken.
    Eine Wolke, die fast wie eine Gießkanne aussieht. Ich sehe direkt vor mir, wie sie umkippt und einen Schwall Wasser über mir auskippt. Ich werde nass wie ein Fisch im Aquarium und schlecht gelaunt wie eine rasierte Katze.
    Eine dicke, schlecht gelaunte Katze, den Bauch voll mit Würstchen, aber trotzdem untröstlich.
    Die nächste Wolke am Himmel ist ein Auto   – eine verbeulte, wütende Ausgabe des Autos meiner Eltern. Es überfährt mich langsam und zermalmt meinen Körper zu Hackfleisch und Knochenmehl.
    Die nächste Wolke hat die Gestalt eines Mädchens, von dem Jerry gesagt hat, er wolle das mit ihr für mich regeln. Sie ist durchsichtig und löst sich in Wasserbäuschchen auf.
    Die folgende Wolke am Himmel ist die Öffnung zu meinem Mäuseloch, auf das ich zulaufe.
    Die nächste Wolke   …
    Ich schlafe dort auf

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