Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
Wir, um ein zerbeultes Auto nach Hause zu unserer Hinrichtung zu bringen.
»Das denke ich auch«, antwortet Jerry nachdenklich. »Wir brauchen nur einen Plan B. Hast du einen Plan B, Bud?« Er dreht sich zu mir um.
Meine Pläne sind so weit hinten im Alphabet, dass sie nicht mehr zählen. Das sind Pläne, die sich nur darum drehen, ob ich mich traue, von zu Hause abzuhauen. Und wann. Oder ob ich einfach das Auto anzünden soll, damit niemand die Beule entdeckt.
»Hmm, denk, denk«, sagt Jerry. Er zieht die Augenbrauen zusammen und blinzelt in die Welt wie ein jüngerer Bruder von Sherlock Holmes.
Vielleicht passiert es deshalb? Weil Jerry zu viel nachdenkt.
Er sieht das Auto nicht, das hinter uns angefahren kommt. Er denkt so viel, dass er, ohne zu schauen, aus unserem Parkplatz rückwärts rausfährt, als das Auto hinter uns angetuckert kommt.
Wir haben nicht viel Fahrt.
Und der hinter uns auch nicht.
Aber es genügt, um es knallen zu lassen. Es knallt gründlich.
Ich kann nicht mehr.
Ich registriere nur das Geräusch eines ziemlich schrecklichen, entsetzlich lauten Rums plus Glas, das auf den Asphalt rieselt.
Ich höre das Geräusch eines Autos, das jäh bremst, und einer Wagentür, die knallt.
Ich höre einen Mann fluchen, dass es bei uns im Wageninneren zu hören ist.
»@£$#□%&«, schimpft er und baut sich vor unserer Windschutzscheibe auf.
11. DER FOLTERMEISTER DES JAHRES
Das erinnert an die Situation vor drei Stunden, als wir Maggie angefahren haben. Doch jetzt steht keine süße Maggie da draußen. Stattdessen sehen wir einen großen, bärtigen Typ mit Messern, dort, wo die Augen sein sollten. Und Klauen statt Händen. Und einem Strich von einem Mund. Der ist so hasserfüllt, dass nur ein Teufel mit entzündeten Kratern in allen Zähnen ihm das Wasser reichen könnte.
Er macht mit dem Zeigefinger eine Kurbelbewegung und Jerry kurbelt gehorsam das Fenster hinunter.
»Was für verfluchte Ringelaffen seid ihr denn?«, zischt er. Ich meine, ihn wiederzuerkennen.
»Guckt euch mein Auto an!« Er zeigt auf den weinroten Kombi. Der Seitenspiegel baumelt an zwei Kabeln. Der Spiegel selbst ist kaputt und die Karosserie hat einen hässlichen Kratzer abbekommen.
Aber gleichzeitig gucke ich mir auch unseren Seitenspiegel an. Unser Spiegel hängt nämlich auch missmutig an der Karosserie herunter.
»Aber …« Der Mann bekommt eine tiefe Falte zwischen den Augenbrauen. »Ihr seid doch noch gar nicht alt genug, um Auto zu fahren!«
Jetzt erkenne ich ihn.
Es ist Riksen, der ehemalige Leiter der Tiplinger Gesamtschule, die ich gerade beendet habe. Zum Glück hatte er Urlaub, als der Krieg zwischen Valen und mir eskalierte. Sonst wäre ich zu ihm zitiert worden.
Schulleiter Riksen ist für seine Verhörtechnik und seine scharfen Antworten gefürchtet. Im letzten Jahr ist er inoffiziell von den Schülern zum »Foltermeister des Jahres« ausgerufen worden. Er hat Voldemort um Längen geschlagen.
Riksen schiebt sein hässliches Gesicht fast ins Wageninnere hinein und mustert uns. Lange. »Kommt raus, Jungs«, sagt er.
Das ist wie in einem amerikanischen Krimi, in dem der Polizist auf dem Motorrad ein Auto stoppt und jede Menge unangenehmer Fragen stellt. Und dann – ganz plötzlich – öffnet er den Knopf seines Revolvergürtels und bittet die Leute im Auto auszusteigen.
Dann weißt du, dass bald jemand sterben wird.
Entweder der Polizist oder die beiden im Auto.
Jemand wird einen Schuss abfeuern und jemand wird draußen im Staub liegen. Und dann wird es nicht mehr sein wie vorher.
Wir schälen uns widerstrebend aus dem Auto und sehen ihn ernst an.
»Und jetzt eure Ausweise, Jungs«, sagt er, den Finger am Abzug.
Jerry reicht ihm seinen, während ich in meinen Taschen wühle.
»Ist der echt?«, fragt er Jerry. Und mich überfällt einSchauder. Jerry ist der Typ, der ein Dokument fälschen könnte. Aber niemand, absolut niemand gibt Riksen einen falschen Ausweis. Er kann es riechen, wenn jemand versucht, ihn reinzulegen.
Dann hebt Riksen nachdenklich seinen Blick und schaut mich an: »Habe ich dich nicht schon mal gesehen? Gehst du nicht in Tipling auf die Schule?«
Seine Augen sind Röntgenstrahlen und durchbohren meinen Körper, mein Herz und mein Gehirn. Lesen und bewerten mich wie ein Buch. Seite für Seite. Nach zwei Sekunden hat er eine Übersicht über mein Leben. Er weiß, wer ich bin, wo ich wohne, was ich wiege, welche Schuhgröße und wie viel Kleingeld ich in der
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