Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
auszusehen, weiß aber, dass ich dumm aussehe. Ich wippe auf den Zehenspitzen und Hacken auf und ab – als meditierte ich tiefschürfend über das Leben.
Trinke einen Schluck.
Überlege, ob ich eine Runde in die Küche machen soll, nur der Abwechslung halber.
Überlege, ob ich aufs Klo gehen soll – nur um wegzukommen.
Doch da kommt endlich noch so ein armer Kerl – ohne Sitzplatz.
Er stellt sich neben mich. »Wahnsinnsauge!«, lautet sein Kommentar.
»Bin – äh – von der Leiter gefallen«, erkläre ich.
Er nickt, als wäre das nichts Besonderes.
Wir prosten uns zu und stoßen mit den Flaschen an. Beide schweigend. Beide gleich dumm. Beide eifrig nach etwas Tiefschürfendem suchend.
Währenddessen plaudert die Gesellschaft, als gäbe es in einer Stunde keine Worte mehr auf dieser Welt. Mittendrin sitzt Jerry, mehrere Mädchen dicht nebenihm. Sie lachen über alles, was er sagt. Und wenn es nur ein kleiner Rülpser ist – den er durch den Mundwinkel hinausschmuggelt. Eine von ihnen streicht ihm vorsichtig übers Haar – um zu testen, ob er auch echt ist.
Jerry erzählt eine Geschichte, die allen erst den Mund offen stehen, anschließend vor Spannung den Atem anhalten und schließlich in eine Lachsalve ausbrechen lässt. Selma rückt noch dichter an ihn heran und legt ihm eine Hand aufs Knie, während sie sich die andere unters Kinn schiebt. Es sieht aus, als würde sie sich ihm hingeben. Aber da kapiere ich, dass sie nur sein Geschenk zeigt. Jerry hatte so große Pläne dahingehend, was er ihr schenken wollte … alles in dieser Welt. Etwas Erinnerungswürdiges, war es nicht so? Ein Erlebnis. Stattdessen hat er ihr ein Herz gekauft, das sie sich um den Hals hängen kann. Aber während es bei mir ein Silberherz war, so hat er eins aus Gold gekauft. Er hat meine Idee geklaut und sie noch getoppt.
Sie schaut ihn mit diesem Blick an, den Mädchen haben, wenn sie … nun ja, eben so.
»Schön«, höre ich ihn sagen. »Der dir das Goldherz geschenkt hat, der muss dich richtig, richtig gernhaben!«
Sie errötet und schlägt die Augen nieder, zieht aber ihre Hand nicht von seinem Knie zurück.
Der stumme Typ neben mir und ich, wir wechseln vielsagende Blicke.
»John«, sagt er und streckt eine Hand vor.
»Bud«, erwidere ich und schüttele seine Hand.
Und das bleibt unser Gespräch für die nächsten zwei Stunden.
Irgendwie vergeht die Zeit.
Die Zeit spielt das Zeitlupenspiel und streckt mir und John die Zunge raus. Nach zwei Stunden war ich dreimal in der Küche und habe mir den Terminkalender der Familie angesehen. Und viermal auf dem Klo, wo ich mich selbst im Spiegel betrachtet habe. Ich habe überlegt, wie man den Getriebekasten eines Springer-Motors ausbaut, und aufgezählt, wie viele verschiedene Sorten an Autoreifen »Auto Innvik« im Zentrum von Tipling führt.
Doch dann ändert sich alles.
Das Universum wechselt den Kurs oder den Sinn oder das Energiefeld. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, als drehe jemand an einem Rad und verschiebe die Balance. Das erinnert mich an die Magenerlebnisse in einer Berg-und-Tal-Bahn.
Ich kann es nicht erklären. Es ist einfach eine Energie, die mich plötzlich erfüllt. Und dann spüre ich, dass sie von einem Punkt hinter mir kommen muss.
15. WEICH WEICH DICHT DICHT
»Hi … äh … Bud«, sagt Maggie.
»He … äh …«, lautet meine Antwort. Ich vermisse den Wolfsjungen und seine Gesprächstalente!
»Party«, sagt Maggie und nimmt einen guten Schluck aus ihrer Flasche und nickt Richtung Menschenmenge, die von Selmas Freunden gebildet wird.
»Äh …«, nicke ich zurück und trinke. »John«, sage ich und nicke in Richtung John.
John und Maggie schütteln sich die Hände.
Jetzt sind wir drei, die sich außerhalb der Welt gestellt haben.
Drei schweigende Dummköpfe. Die Einsamkeit wabert um uns herum.
»Dein … Auge«, murmelt Maggie.
»Leiter«, antworte ich kurz. Langsam nervt das Auge.
»Ist gefallen«, fügt John hinzu.
»Krass!«, ruft Maggie.
Es vergehen zehn Minuten.
Ich werfe einen Blick auf Maggie und John, die beiden starren wie Zombies auf das Gewimmel.
Jerry sitzt immer noch mit Selmas Hand auf dem Knie da. Aber jetzt liegt seine Hand auf ihrer und er starrt ihr in die Augen und redet, während sie ihn mit Blicken auffrisst. Sie hört nicht, was er sagt. Starrt ihn nur intensiv an, während das Goldherz schaukelt.
Hinter mir kann ich Maggies Duft riechen. Er besteht aus
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