Am Hang
ihren Händen leicht geschubst, ins Badezimmer dirigieren lassen, wo sie ihm einen giftgrünen, ihm völlig wesensfremden Waschlappen aufgedrängt habe. Sobald er allein gewesen sei, habe er sich nüchtern gefühlt, seine Willenskraft wiedererlangt und sich zum Aufbruch entschlossen. Erwartungsgemäß habe Penelope, als er aus dem Badezimmer gekommen sei, schon unter dem Sternenhimmel gelegen. Er sei an ihr Bett getreten und habe mit freundlichen Worten erklärt, daß er nicht bleiben möchte, daß es für sein Gefühl nicht stimmen würde. Sie habe wie ein Kleinkind zu wimmern angefangen und sich in ihn beziehungsweise in sein Hosenbein verkrallt. Und dann, nachdem er sich habe befreien können, was so sanft wie möglich geschehen sei, habe sie alle Fassung und allen Anstand verloren und unter anderem gesagt, an ihm sei ein zickiges Weib verlorengegangen. Am ordinärsten aber sei das letzte Wort gewesen, das er, schon unter der Wohnungstür, aus Penelopes Mund vernommen habe, nämlich: du rostiger Wichser. – So kläglich, ja brutal sei sein sondierender Vorstoß mißraten und sein Versuch, sich zu öffnen, gescheitert.
So Loos mit großem Ernst und trauriger Stimme. Aus Rücksicht darauf, ich wollte ihn nicht kränken, verbiß ich mir mehrmals das Lachen, erst ganz am Schluß verlor ich die Selbstkontrolle. Loos lachte nicht mit, schien aber auch nicht verletzt oder böse, er schaute mich nur verwundert an. Ich faßte mich rasch. Ich sagte, daß ich mich an seiner Stelle nicht zweimal hätte bitten lassen. Ich weiß, ich weiß, sagte er, wir gleichen uns kaum, auch wenn es immer heißt, wir Männer seien alle gleich in puncto puncti. – Vergessen Sie nicht, sagte ich, es sind die Frauen, die diese Ansicht vertreten, und die müßten es eigentlich wissen. – Die Frauen sind mit diesem Ammenmärchen aufgewachsen, sagte Loos, ich kenne Mütter, deren Männer durchaus nicht diesem Bild entsprechen und die den Töchtern trotzdem und wider besseres Wissen erzählen, daß Männer immer nur das eine wollen, und zwar so wähl- und umstandslos wie möglich. Fast könnte man unfeinerweise vermuten, das Bild vom Mann als geilem Bock sei für die Frau nur vordergründig ein Schreckbild. – Ob Schreckbild oder Wunschbild, abwegig ist es nicht, Herr Loos. Wissen Sie, wie oft ein Mann im Durchschnitt und pro Tag an Sex denkt? – Ich habe nie nachgezählt. – Sie vielleicht nicht, aber ein Forscherteam, und dieses kam auf zweihundertundsechs, da staunen Sie, nicht wahr? – Ja, sagte er, das wäre ein verstörender Befund, wenn es ein seriöser wäre. Wenn mir ein Forscherteam befehlen würde, einen Tag lang bei jedem Gedanken an Sex ein Kreuzchen in mein Notizbuch zu machen, so könnte ich nichts anderes mehr denken, und mein Notizbuch wäre schon am Mittag voll. – Ich gehe davon aus, sagte ich, daß die Versuchsanordnung nicht ganz so simpel war, doch wie auch immer, wie können Sie von Ammenmärchen sprechen, wo doch die große Mehrzahl der Männer Erfahrung mit käuflicher Liebe hat, in der es, wie man weiß, nur um das schnelle eine geht und sonst um nichts? – Im Unterschied zu Ihnen, sagte Loos, begreife ich den Sachverhalt nicht als Beleg für die natürliche Beschaffenheit des Mannes, das heißt für seine wahre Triebstruktur. – Als was denn sonst? – Als Zeichen erotischer Unkultur und sexueller Barbarei. In allen Lebensbereichen, so glaube ich, zeugt rasches Zur-Sache-Kommen und umstandsloser Vollzug von Verrohung. Allein das Zögern ist human. Ich wollte eigentlich sagen: Was Sie für ein Naturbedürfnis halten, sehe ich eher als Perversion, und was für die Hunde natürlich ist, braucht es nicht auch für den Menschen zu sein. – Wie kann man so blind sein, zumindest so naiv, sagte ich, darf ich Sie fragen, ob Sie sich schon einmal einen Pornofilm angeschaut haben? – Ja, sagte Loos, versehentlich, in einem Hotelzimmer bin ich einmal versehentlich auf einen Pay-TV-Kanal geraten. – Nun gut, sagte ich, Sie werden wissen, daß es sich hier um einen blühenden Wirtschaftszweig mit Milliardenumsätzen handelt, und Heerscharen von Männern schauen sich diese Filme an, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie ein Bedürfnis bedienen, weil sie zeigen, wonach ihnen selbst der Sinn steht und wovon ihre Triebe träumen, nämlich von einer direkten, schnellen, durch nichts gehemmten Befriedigung. Bestünde kein echter Wunsch danach und keinerlei Nachfrage nach solchen Filmen, so gäbe es auch das riesige Angebot
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