Am Helllichten Tag
brutal zusammengeschlagen. Mit einer schweren Gehirnerschütterung, einem gebrochenen Arm und einem Milzriss wurde er in die Klinik gebracht. Er starb am nächs ten Tag.
12
Sie stehen einander gegenüber wie Boxer im Ring, die versuchen, den Gegner einzuschätzen. Die jungen Männer haben sich in der Tür der Imbissstube breitgemacht, wortlos, mit verschränkten Armen und finsterem Blick.
Erst will Julia ihren Dienstausweis zücken, aber das dürfte diese Typen kaum beeindrucken. Außerdem wissen sie garantiert, dass Sjoerd und sie Polizisten sind. Deswegen stehen sie ja da.
Julia hebt unwillkürlich die Hand, um nach der Dienstwaffe zu greifen, lässt sie jedoch nach einem sanften Rippenstoß von Sjoerd wieder sinken.
»Bitte sehr, die Kroketten!« Roys Stimme klingt gepresst. »Wollen Sie sie hier essen oder …«
… oder haut ihr endlich ab? Er sagt es zwar nicht, aber sein Blick spricht Bände. Damit Julia und Sjoerd endlich kapieren, packt er die Kroketten gleich ein.
Sjoerd bezahlt, sie nehmen Milchshakes und Tüte und gehen auf die Männer zu.
»Dürfen wir mal durch?« Sjoerds Tonfall ist drohend.
Mit sichtlichem Widerwillen wird ein schmaler Durchgang freigegeben.
Ohne ein weiteres Wort verlassen Julia und Sjoerd die Imbissstube. Sie brauchen sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass man ihnen nachsieht.
»Eigentlich sollten wir uns das nicht gefallen lassen«, meint Julia am Auto.
»Und was hätten wir deiner Ansicht nach tun sollen?«, entgegnet Sjoerd. »Schließlich haben die uns bloß angestarrt, mehr nicht.« Er steigt an der Fahrerseite ein und lässt sofort die Scheibe herunter. »Meine Güte, ist das heiß hier drin! Zum Glück haben wir eine Klimaanlage. Los, steig ein, damit ich fahren kann.«
Julia nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.
»Die wollten uns einschüchtern!« Julia öffnet die Tüte mit den Kroketten. »Damit wir möglichst schnell verschwinden. Und was machen wir? Wir ziehen den Schwanz ein!«
»Ich glaube eher, es ging ihnen um Roy. Er hat ohnehin nicht viel gesagt, und als sie reinkamen, ist er völlig verstummt. Die Burschen haben ihn im Griff.«
Julia nimmt die Kroketten heraus und reicht eine davon ihrem Kollegen.
Sie fahren die Koninginnelaan entlang und an Julias Haus vorbei. Einen Moment lang beneidet sie ihren Kater, der jetzt bestimmt im Garten liegt und döst.
»Ich verstehe nicht, warum keiner den Täter gesehen hat«, sagt sie. »An so warmen Tagen sind doch jede Menge Leute draußen unterwegs.«
»Garantiert hat ihn jemand gesehen, wahrscheinlich sogar mehrere. Nur hat niemand auf ihn geachtet.«
»Oder niemand traut sich, was zu sagen.«
»Vielleicht kommt ja noch eine anonyme Meldung rein.«
»Möglich«, sagt Julia, nicht sehr überzeugt.
Als sie sich dem Revier nähern, steckt sie das letzte Stück Krokette in den Mund und wischt sich dann die Finger an der Serviette ab.
Sjoerd fährt auf den Hof hinter dem Revier. Im Auto hängt penetranter Frittierfettgeruch.
»So früh am Tag sollte man das fette Zeug nicht essen«, meint Sjoerd naserümpfend.
»Wir haben auch noch die Milchshakes. Vielleicht können wir damit einen Kollegen beglücken. Ari zum Beispiel, der ernährt sich doch ausschließlich von Junkfood. Guck mich mal an – ich glaube, du hast da was am Mund.«
Julia beugt sich vor und wischt einen Klecks Krokettenfüllung von Sjoerds Wange.
Als er sie ansieht, richtet sie sich rasch wieder auf und spielt mit einer Serviette. Sie breitet sie auf ihrem Schoß aus und streicht sie glatt.
Auf Roys Tresen steht ein Serviettenspender, an dem sich die Kunden selbst bedienen. Diese Serviette hat er jedoch selbst in die Tüte gepackt. Und während er ihnen den Rücken zukehrte, mit schwarzem Kugelschreiber etwas darauf notiert: die Initialen R. A.
»Jetzt bin ich aber platt!«, sagt Julia.
»Rachid Amrani …«, sagt Ramakers kurze Zeit später, als sie zum Rapport angetreten sind. »Meines Wissens hat der einen niederländischen Pass.«
Julia, die ihm gegenübersitzt, nickt. Sjoerd lehnt an der Wand, ebenso Ari und Koenraad, die der Chef herbeigerufen hat.
In den Strafakten haben sich nur wenige Personen mit den Initialen R. A. gefunden, und eine der dicksten Akten gehört einem zweiundzwanzigjährigen Marokkaner namens Rachid Amrani.
»Ein Aufschneidertyp«, sagt Julia und legt den Computer ausdruck auf den Tisch. »Der fährt den lieben langen Tag in einem frisierten Schlitten durch die Gegend und hat jede Menge zwielichtige Freunde,
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