Am Helllichten Tag
wie star ke Arme sie packen und weiterzerren, auf den rettenden Ausgang zu.
Als sie endlich im Freien ist, sieht sie schemenhaft einen Feuerwehrmann in Uniform vor sich – ihren Retter.
Trotz der frischen Luft lässt ihre Atemnot nicht nach, sondern verschlimmert sich sogar noch. Zudem blendet sie die plötzliche Helligkeit so sehr, dass sie die Augen zukneifen muss.
Sie hat das Gefühl, gleich zu ersticken, als ihr etwas aufs Gesicht gedrückt wird. Sauerstoff strömt in ihre Lunge, sie hört italienische Worte, versteht nichts, doch die Stimme klingt freundlich, beruhigend. Jemand betupft ihre Augen, langsam lässt das Brennen nach.
Als sie die Augen aufschlägt, liegt sie in einem Krankenwagen. Der Sanitäter neben ihr, ein Mann mit schwarzem Haar und Schnauzbart, lächelt ihr aufmunternd zu.
Nach ein paar Minuten nimmt er die Sauerstoffmaske weg. Nathalie wird von Hustenanfällen geschüttelt, spuckt schwarzen Schleim. Dann hat sie endlich das Gefühl, wieder einigermaßen durchatmen zu können.
»Robbie …«, stößt sie heiser hervor. » My baby, where’s my baby?«
Der Sanitäter zeigt nach draußen. »Va bene, signora. The baby is okay. We take you to ospedale. Hospital.«
Nathalie richtet sich auf, will protestieren, nein, sie brauche nicht ins Krankenhaus, da schlägt die Erschöpfung zu. Bevor sie zurücksinkt, sieht sie gerade noch den Buggy mit Robbie draußen stehen. Gott sei Dank, sie haben das Kind gerettet!
Sie zeigt zum Fenster, der Sanitäter nickt und tätschelt ihr beruhigend die Hand.
Egal, denkt sie, dann eben ins Krankenhaus. Immerhin kommt sie auf diese Weise in die nächstgrößere Stadt, dort wird sie weitersehen …
Der weinende Robbie wird hereingereicht, sie streckt die Arme nach ihm aus.
Er kuschelt sich an sie und wird ruhiger. Auf den ersten Blick scheint ihm nichts zu fehlen.
Der Sanitäter erklärt ihr in seinem holprigen Englisch, dass sie beim Rennen viel mehr Rauch eingeatmet habe als das Kind. Es bestehe kein Grund zur Sorge, dennoch sei es ratsam, sich und den Kleinen in der Klinik untersuchen zu lassen.
Sie nickt ergeben, obwohl sie den Aufwand für unnötig hält, aber es lässt sich wohl nicht vermeiden. Fest drückt sie Robbie an sich, als der Krankenwagen mit heulender Sirene losfährt.
15
»Ich weiß überhaupt nicht, was ihr von mir wollt. Mit diesen Morden hab ich nichts zu schaffen.« Rachid Amrani lehnt sich gelangweilt in seinem Stuhl zurück.
Bisher gibt sich der junge Marokkaner ausgesprochen renitent. Seit gut fünf Stunden wird er nun vernommen, aber außer dass er sich mehrmals in Widersprüche verwickelt hat, ist dabei nichts herausgekommen.
»Warum sagen Sie uns nicht zur Abwechslung mal die Wahrheit?«, fragt Sjoerd.
»Mann, ich sage schon die ganze Zeit die Wahrheit! Ich habe diesen Leuten nichts getan – wann kapiert ihr das endlich? Warum glaubt ihr mir nicht?«, empört sich Rachid.
»Auf Ruud Schavenmakers T-Shirt wurde Speichel gefunden. Die daraus gewonnene DNA stimmt mit Ihrer überein.«
»Ich hab das schon x-mal erklärt: Der Typ hat mich angepöbelt, wir haben Streit gekriegt, und ich hab ihn bespuckt. Aber das war schon am Vormittag, um halb elf oder so.«
Sjoerd behält den Verdächtigen scharf im Auge. »Vorhin haben Sie behauptet, am Tattag in Amsterdam gewesen zu sein, und jetzt sagen Sie, Sie hätten Herrn Schavenmaker um halb elf angespuckt. Auch aus Ihren Handydaten geht hervor, dass Sie an besagtem Tag in Roermond waren, genauer: in Donderberg. Dass Sie lügen, Herr Amrani, gibt uns sehr zu denken.«
»Das mit Amsterdam hab ich bloß gesagt, damit ihr mich in Ruhe lasst. Ich hab das vorhin schon den zwei anderen Bullen erklärt. Und wenn ich ein einziges Mal nicht die Wahrheit sage, heißt das noch lange nicht, dass ich immer lüge!«
»Von immer war keine Rede«, sagt Sjoerd. »Wir glauben lediglich, dass Sie lügen, was die Morde in der Bachstraat betrifft. Sie hatten also gegen halb elf einen Streit mit Herrn Schavenmaker und haben ihm dabei aufs T-Shirt gespuckt. Als er tot aufgefunden wurde, trug er das T-Shirt noch. Das wundert uns, weil wir uns nicht vorstellen können, dass man stundenlang mit einem derart beschmutzten Kleidungsstück herumläuft.«
»Wahrscheinlich war der an so was gewöhnt.«
Seufzend lehnt Sjoerd sich zurück, und Julia übernimmt die weitere Befragung.
»Wie gut kannten Sie Kristien Moors und Ruud Schavenmaker, Herr Amrani?«
Rachid verdreht genervt die Augen. »Mann, das
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