Am Helllichten Tag
schmerzt. Bei Geburtstagsfeiern oder anderen festlichen Anlässen brauchen sie sich nur anzusehen und wissen, wie ihnen zumute ist.
Melanie könnte eine wirklich gute Freundin sein, aber Julia sieht sich außerstande, die Bekanntschaft zu vertiefen.
Vor einem weißen Haus in einer baumbestandenen Straße hält sie an. Die Strahlen der Abendsonne fallen durchs Laub und zeichnen Licht- und Schattenmuster auf den Bürgersteig.
Kaum hat sie ihr Rad abgeschlossen, geht auch schon die Haustür auf, und Melanie eilt ihr entgegen.
»Julia! Schön, dich endlich mal wiederzusehen!«
Sie nimmt Julia in den Arm und begrüßt sie mit einem Wangenkuss. Noch bevor diese etwas erwidern kann, hat Melanie sie auch schon untergehakt.
»Moment, ich hab hier noch was.« Julia holt die Flasche Wein unter den Schnellbindern hervor.
»Super, ich hab auch schon eine Flasche kalt gestellt. Die hier lege ich gleich dazu.«
Sie betreten das Wohnzimmer, in dem ein Fußboden aus Eichenholz und helle Möbel eine behagliche Atmosphäre schaffen.
Von oben ist Wasserrauschen zu hören.
»Sjoerd steht noch unter der Dusche«, erklärt Melanie. »Komm, wir setzen uns schon mal nach draußen.«
Julia folgt ihr durch die offene Glastür. Auf den weiß lackierten Verandadielen steht ein Laufstall, darin liegt auf einer bunt gemusterten Decke ein fünf Monate altes Baby und spielt mit einem Plüschteddy.
Julia beugt sich zu dem Kind hinunter.
»Na, Joey, kleiner Mann, wie geht’s? Du bist ja schon ein bisschen braun geworden.« Sie dreht sich zu Melanie um, die mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnt, ganz die glückliche Mutter. »Niedlich, euer Sohn. Mir scheint, er ist ganz schön groß geworden seit dem letzten Mal.«
»Ja, er gedeiht prächtig, man kann ihm fast schon beim Wachsen zusehen. Sjoerd verdächtigt mich, dass ich ihm Kraftfutter gebe, aber ich denke, das sind die väterlichen Gene. Wenn er so groß wie Sjoerd werden will, muss er früh anfangen.« Melanie stellt sich neben Julia. »Willst du ihn ein wenig auf den Schoß nehmen?«
»Lass nur, er spielt gerade so schön.« Julia setzt sich auf einen Gartenstuhl im Halbschatten.
Melanie kitzelt Joey am Bauch und schnalzt mit der Zunge, was der Kleine mit einem hinreißenden Lächeln belohnt. Dann widmet sie sich Julia: »Was möchtest du trinken?«
»Am liebsten einen Rosé, zumal du jetzt zwei Flaschen kalt gestellt hast.«
»Dem schließe ich mich an.« Melanie geht in die Küche und kommt mit zwei gefüllten Gläsern wieder. »Wie geht’s dir denn so? Wir haben uns ja eine ganze Weile nicht gesehen.«
»Gut, bis auf die viele Arbeit im Moment.«
»Tja, wenn man hier im Garten sitzt, möchte man nicht glauben, was für schlimme Dinge in der Welt passieren.« Melanie lässt den Blick über den Rasen und die Blumenbeete gleiten.
»Wie läuft’s denn so mit Taco? Alles okay bei euch?«
»Ja, alles bestens.«
»Deinem Gesicht nach zu urteilen eher nicht, oder täusche ich mich? Habt ihr euch gestritten?«
Julia muss unwillkürlich lachen. Melanie scheint einen siebten Sinn zu haben.
»Nicht wirklich«, sagt sie. »Taco ist manchmal etwas hitzköpfig. Nicht mir gegenüber, aber wenn wir ausgehen, gibt es meist irgendwelchen Ärger. Neulich waren wir mit dem Auto unterwegs, und so ein Blödmann hat uns beim Überholen geschnitten. An der nächsten Ampel stand er vor uns. Jeder andere hätte ihm den Vogel gezeigt oder kurz gehupt, Taco dagegen steigt aus und macht den Mann zur Schnecke. Im Grunde hat er ja recht, dass er sich nichts gefallen lässt, aber manchmal nervt es einfach.«
»Hmmm. Ich verstehe gut, was du meinst. Taco kann nett und charmant sein, aber auch ganz schön rabiat werden. Besonders, wenn du dabei bist.«
»Ich? Was hat das denn mit mir zu tun?«
»Ich glaube, er hat ein Problem damit, dass du bei der Polizei arbeitest. Deshalb hängt er den dicken Max raus, als Ausgleich sozusagen.«
Julia stutzt, findet Melanies Erklärung dann aber durchaus einleuchtend.
»Da könntest du recht haben«, sagt sie. »Vielleicht fühlt er sich irgendwie unterlegen und will das mit seinen Auftritten kompensieren.«
»Genau, das braucht er wohl für sein Ego. Bei Taco kann ich mir das gut vorstellen.«
Julia seufzt. »Wenn das so ist, haben wir ein Problem, denn ich hab absolut keine Lust, ihm das hilflose Weibchen vorzuspielen, nur damit er sich nicht zurückgesetzt fühlt.«
»Hoffentlich nimmst du mir meine Offenheit nicht übel, aber ich finde, dass ihr
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