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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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zuvor gestanden, und auch Abdalá. Man habe ihn gefoltert, ihm ein Auge ausgerissen und die Gelenke ausgerenkt. Er habe oft nach ihm gefragt, ohne eine Antwort zu erhalten. Gewiss sei er tot.
    Der Kaufmann betrachtete ihn wie ein Raubvogel seine Beute. Joan hatte nie zuvor einen so strengen Gesichtsausdruck bei ihm gesehen.
    »Danke, dass du dir meinetwegen Sorgen machst und mich gewarnt hast«, sagte er schroff. »Aber was du getan hast, war sehr schlimm, und die Folgen werden für deine Herrschaften schrecklich sein. Ich liebte sie wie Geschwister, und ich fühle mich verantwortlich, weil ich dich zu ihnen gebracht habe. Sie haben dich aus dem Kloster geholt, und du hast sie verraten. Das sage ich nicht, weil du den Drohungen mit der Folter nachgegeben hast. Die aufrechtesten Männer brechen zusammen, wenn man sie der Folter unterwirft. Es gehört zu den Maßnahmen im Handbuch des Inquisitors, mit ihnen zu drohen. Aber du hast dein Versprechen gebrochen. Du hast gesagt, dass du nicht lesen lernst. Wenn du das befolgt hättest, wäre nichts davon geschehen.«
    »Das weiß ich, und es tut mir über alle Maßen leid«, antwortete der Junge mit tränenüberströmten Augen. »Aber auch wenn ich nicht gesprochen hätte, so haben es doch Guillem und Abdalá unter der Folter getan.«
    »Nein. Du irrst dich. Guillem und Abdalá haben nichts erzählt. Die Inquisitoren haben dich belogen.«
    »Was?«
    »Meister Guillem konnte gar nichts sagen, weil er nichts von dem wusste, was im
Scriptorium
geschah.«
    »Und Abdalá?«, erkundigte sich Joan ängstlich. »Hat er nichts gesagt, als sie ihn gefoltert haben?«
    »Sie haben ihn nicht gefoltert. Tieftraurig, aber bei guter Gesundheit sitzt er im Gefängnis der Inquisition. Für die Inquisitoren ist er wie irgendeine Sache. Ich verhandele gerade über seinen Kauf.«
    Joan fühlte grenzenlose Erleichterung.
    »Und wie konnte er sich retten?«
    »Ganz einfach. Abdalá ist ein bekennender Muslim, und sie können ihm nichts tun. Das Gleiche geschieht mit den Juden, die ihre Religion offen ausüben. Die Inquisition darf nur gegen Christen vorgehen. Sie hätten ihn gefoltert, wenn er getauft wäre und sich dennoch heimlich nach dem Koran richtete. Er dient auch nicht als Zeuge gegen die Corrós. Niemals würden sie seinen Schwur anerkennen, selbst wenn es auf den Koran wäre.«
    Nun begriff Joan, dass seine Herrschaften nur durch seine Aussage verurteilt wurden.
    »Es tut mir leid«, murmelte er. »Sehr.«
    Der Kaufmann gab sich mit dieser Entschuldigung nicht zufrieden. Er verabschiedete sich abweisend, nachdem er seine Vorwürfe wiederholt hatte. Joan blieb mit seiner Schuld und dem niederschmetternden Gefühl allein, seinen Freund verloren zu haben. Er liebte ihn wie einen Vater, und dieser neue Verlust machte ihm entsetzlich zu schaffen.
    Er schrieb in sein Buch: »Wie sehr bedauere ich, dass ich mein Versprechen gebrochen habe. Wenn man doch nur die Zeit zurückdrehen könnte.«
    Ein paar Tage später liefen Ausrufer durch die Stadt und kündigten an, das Autodafé werde am 9 . Februar, nach der Terz-Stunde, auf der Plaza del Rey stattfinden. Joan krampfte sich das Herz zusammen. Dann würde das Schicksal der Corrós besiegelt werden!

51
    N achdem die Glocken der Kathedrale die Terz angekündigt hatten, läuteten sie unermüdlich weiter und riefen die Gläubigen zusammen. Joan, Lluís und die Übrigen trafen sich an der Tür der Buchhandlung.
    Sie warteten, dass die Prozession, die aus dem Königspalast gegenüber dem Sant-Ivo-Tor der Kathedrale kam, ihrem Weg durch die Straßen folgte und die Calle Especiers erreichte, wo sie standen.
    Den Zug eröffnete ein Dominikaner, der das schwarzweiße Ordenshemd trug, barfuß war und die Standarte der Inquisition hielt. Ihm folgte eine Gruppe von Messdienern und ein weiterer barfüßiger Dominikanermönch, der ein Kreuz trug.
    Darauf kamen mehrere Adlige und Justizbeamte, die von dem Infanten Enrique, dem Vetter des Königs und königlichen Statthalter von Katalonien, angeführt wurden. Nach ihnen reihten sich die Beamten der Inquisition ein, unter ihnen Bruder Alfonso Espina, und mit ihnen erschienen ihre Gerichtsdiener, Notare, Schreiber und Truppen. Diesen Teil der Prozession schloss eine Gruppe schweigender und vermummter Dominikanermönche ab.
    Ein weiterer Mönch ließ einen deutlichen Abstand und folgte mit einem hocherhobenen Kreuz.
    »Da, seht!«, rief Lluís leise.
    Nach dem Mönch kam Antoni Ramón Corró, ihr Herr. Er trug

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