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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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wichtiges Ereignis, und seine Kollegen in der Werkstatt baten Meister Eloi um die Erlaubnis, es sich ansehen zu dürfen. Joan rang sich dazu durch, sie zu begleiten.
    Das Schauspiel wurde ähnlich wie die Hinrichtung Pere Joan Salas gestaltet, nur sollte der zurückzulegende Weg länger und die Folter noch schlimmer sein.
    Auf der Plaza del Rey, am Ort des Verbrechens, stießen ihn die Henker auf den Karren hoch, wo ihn schon der Kaplan erwartete. Sie banden ihn nackt an den Pfosten. Er war mit immer noch blutenden Wunden bedeckt, und sein Körper hatte eine weißliche Farbe. Sie bildete einen deutlichen Gegensatz zu seinen Händen und seinem Gesicht, die von der Sonne verbrannt waren. Trotz seines mageren Körpers und der Wunden hielt er sich aufrecht und ertrug stoisch die Beleidigungen der Leute. Die Würde und Standhaftigkeit des Mannes erfüllten Joan mit Stolz. Er kannte ihn und wusste die Wahrheit!
    Noch auf der Plaza del Rey hackte ihm der Henker die rechte Hand ab. Mit dieser Hand hatte er den Monarchen verwundet. Joan von Canyamars ließ keinen Klagelaut hören. Der Zug riss ihm bei jedem Halt weitere Körperteile ab. Er starb auf der Plaza del Born, doch die Marter musste weitergehen, und sie zerstückelten ihn weiter. Sie verließen die Stadt durch das Portal Nou, und in demselben Gebiet, wo sich die Jungen gewöhnlich mit Steinwürfen bekämpften, steinigten die Leute, was von Joan von Canyamars übrig geblieben war. Der ganze Zug endete in El Canyet, wo die Reste des Körpers neben dem Karren verbrannt wurden.
     
     
    Joan lief nicht mit hinaus aus der Stadt. Er ging in die Schänke, wo er mit dem
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angestoßen hatte. Dort war es leer. Alle sahen sich das Schauspiel an. Er setzte sich an denselben Tisch und hob sein Glas: »Auf die Freiheit.«
    Er nahm einen Schluck von dem Wein. Sechzig Sueldos! Joan sagte sich, dass es nicht viel war. Meister Eloi bot ihm nicht nur kostenlose Unterkunft und Verpflegung, sondern bezahlte ihm auch noch diesen Betrag für nur drei Monate Arbeit. Welch ein armseliges Leben hatte dieser
remensa
geführt, dass er nicht einmal sechzig Sueldos sparen konnte, um sich von der Leibeigenschaft freikaufen zu können!
    Dann dachte er, dass Joan von Canyamars nicht die sechzig Sueldos, sondern sich selbst hatte rächen wollen. Der Monarch sollte mit seinem Leben bezahlen. Joan seufzte. Der arme Kerl war nicht vollständig gescheitert. Wie viel war wohl das Blut wert, das König Ferdinand vergossen hatte? Einen König zu verwunden war etwas sehr Ernstes. Das ließ ihn an seine eigene Rache denken.
    Er war immer noch allein in der Schänke, und bevor er sein letztes Glas austrank, erhob er es für Joan von Canyamars, der nun endlich frei war.
    »Auf die Freiheit und die Schulden, die man eintreibt«, stieß er mit dem Gespenst des
remensa
an.
    Nachts schrieb er dann in sein Buch: »Rache?«
    Die Geschichte des Mannes hatte Gefühle in seinem Innern aufgewühlt, von denen er geglaubt hatte, sie wären überwunden. Aber nein: Er wollte Rache und verfolgte begierig die Nachrichten über Vilamarís Flotte.
     
     
    Schon zwei Jahre zuvor hatte Joan den ersten Brief Annas erhalten. In dieser Zeit unterhielten sie einen ständigen, von Pausen unterbrochenen Briefwechsel, denn sie mussten sich an die Postsendungen halten, die Bartomeu und der neapolitanische Buchhändler austauschten. Das Ganze wurde auf einer Karavelle befördert, und die Fahrt von Barcelona nach Neapel dauerte über einen Monat. Von Mai bis Oktober verkehrten auch die Galeeren, die die Strecke in zwei Wochen zurücklegten, aber sie waren ein teures Transportmittel, das Bartomeu nur hin und wieder benutzte.
    Das Warten war eine große Pein für Joan. Immer, wenn er einen Brief von seiner Liebsten erhielt, betete er darum, dass ihre Eltern sie nicht verheiratet hatten. Anna war schon neunzehn Jahre alt und dem heftigen Druck ausgesetzt, dem Werben eines Galans nachzugeben. Sie wiederholte nachdrücklich, dass sie alles tun werde, um auf ihn zu warten. Dafür dankte Joan dem Himmel.
    In ihren Briefen teilte ihm Anna mit, dass sich die Familie Roig zuerst auf Sizilien hatte niederlassen wollen, doch die erklärte Absicht König Ferdinands, die Inquisition auch in diesem Königreich einzurichten, hatte sie veranlasst, nach Neapel zu gehen. Das Königreich Neapel wurde von einer aragonischen Dynastie beherrscht, die Konvertiten und Juden bereitwillig aufnahm. Sie hofften, dass sie dort ein freies und ruhiges Leben führen

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