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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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auszuüben.
Ihr
seid der Verräter, Hoheit.«
    »Ich brauchte dieses Geld für den Krieg von Granada. Den Krieg Gottes. Verstehst du das nicht? Der Zweck hat dieses Opfer verdient. Ein paar Jahre danach habe ich das mit dem Urteilsspruch von Guadalupe wiedergutgemacht.«
    »Das habt Ihr getan, weil Ihr wusstet, dass wir uns nie damit abfinden würden und weil Ihr Frieden im Land wolltet. Aber es war zu spät. Zu spät für Pere Joan Sala, für meinen Sohn, meine Schwiegertochter, meine Enkelin und Tausende andere. Es war auch zu teuer. Wir, viele von uns, konnten uns nicht für sechzig Geldstücke freikaufen und sind Sklaven geblieben.«
    »Joan, du bist ein armer Bauer und kannst die Gründe der Staatspolitik nicht verstehen. Das kannst du niemals begreifen …«
    »Und wie ich das verstehe«, entgegnete der Bauer. »Ich verstehe, dass man sein Versprechen halten muss. Ich verstehe, was Ehre ist, was Würde ist. Ich verstehe, dass ein Mensch seine Familie vor Missbräuchen schützen, dass er für seine Freiheit kämpfen muss. Und ich verstehe, dass ein König, der seine Untertanen verrät, unwürdig ist, keine Ehre hat und den Tod verdient.«
    »Wie kannst du es wagen!« Der Herrscher wurde rot vor Zorn. »Ich habe einen Auftrag, der wichtiger als all das ist. Das ist Gottes Wille. Wie beim Schachspiel muss ein König manchmal seine eigenen Figuren opfern, um die Partie zu gewinnen.«
    »Ihr seid ein Verräter.« Joan von Canyamars versuchte, ihn anzuspucken.
    Ferdinand rührte sich nicht. Der Alte war so schwach, dass die Spucke an seinem Kinn herabtropfte. Damit hatte der
remensa
seine letzten Kräfte verbraucht. Er schloss die Augen und sackte zusammen. Der König war verblüfft. Niemand hatte zuvor gewagt, ihn anzuspucken. Nie. Plötzlich spürte er, dass ihn die Wunde entsetzlich schmerzte. Er griff nach der Tür und lief hinaus. Sofort fassten ihn die Ärzte an den Armen und begleiteten ihn.
    »Ich will wissen, wer mit ihm unter einer Decke steckt«, sagte er mit dumpfer Stimme zu den Henkern.
    »Er sagt nichts, Herr«, antwortete der Hauptmann der Wache. »Wir glauben, dass er ein Verrückter ist und allein handelt.«
    »Ja, sicher ist er ein Verrückter«, bestätigte der Monarch. »Aber überzeugt Euch, dass es keinen weiteren gibt.«

57
    E s gab keine Hinweise auf eine Verschwörung gegen den Monarchen, doch die Königsfamilie zog nach Badalona ins Kloster San Jerónimo de la Murta um, damit sich der König von seiner Verletzung erholen konnte. Es war ein ruhiger Ort nahe bei Barcelona, der über besonders starke Mauern und Wehrtürme verfügte. Außerdem bot der Hafen von Badalona den Galeeren einen besseren Ankerplatz als der Barcelonas, der Gräflichen Stadt.
    Dank der Pflege der Hieronymitenmönche machte die körperliche Heilung des Königs rasche Fortschritte. Aber die andere Wunde, mit der ihm der »treue« Joan von Canyamars in der Seele getroffen hatte, schmerzte immer noch. Er schloss die Augen und sah dieses magere und runzlige, von der Sonne auf dem Feld gebräunte Gesicht, das in seiner Kindheit für ihn Schutz und Liebe bedeutet hatte.
    ›Er hat keine Ahnung‹, sagte er sich. ›Er kann nicht verstehen.‹
    Doch er sah, wie der an die Eisenstangen gefesselte Alte gefoltert wurde und ihn anklagte. Wieder tat ihm das Herz weh. Um sich von dem Leiden zu befreien, sagte er nun, als wäre es eine Teufelaustreibung:
    »Es ist gleich!«
    Für einen Monarchen wie ihn, den Vorkämpfer der Christenheit, dem durch Gottes Willen ein großartiges Schicksal beschieden war, heiligte der Zweck die Mittel. Er schloss die Augen und sah, wie sein Schwert auf den Hals Joans von Canyamars hinabsauste.
    »Es ist gleich!«, rief er.
     
     
    Das Volk in Barcelona wartete gespannt auf Nachrichten über den Gesundheitszustand des Monarchen. Am Tag nach dem Anschlag wurde die Prozession der Unbefleckten Empfängnis abgesagt, und in allen Kirchen verrichtete man Gebete. In den folgenden Tagen zogen verschiedene Prozessionen, die von Zünften, Kirchen und dem Gemeinderat selbst veranstaltet wurden, durch die Straßen der Stadt und beteten für die Genesung des Monarchen.
    Man hielt Joan von Canyamars für einen vom Teufel besessenen Wahnsinnigen.
    Doch das bewahrte ihn nicht vor dem Urteil, »höchst grausam getötet zu werden«.
    Als die Ausrufer ankündigten, dass die Hinrichtung am Mittag des 12 . Dezember beginnen würde, zweifelte Joan, ob er daran teilnehmen sollte. Allerdings handelte es sich um ein

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