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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Gebräuche mehr, nicht wahr?«
    »Der König hat sich korrigiert, weil er eingesehen hatte, dass wir niemals den Freiheitskampf aufgeben würden und dass ein neuer Pere Joan Sala erscheinen würde, und dann noch einer und noch einer.«
    »Nun ja, ich freue mich, dass jetzt alles gut ist und dass Ihr endlich die Schulden eintreibt«, schloss Joan erleichtert.
    Der Alte antwortete nicht darauf, doch er hob sein Weinglas und brachte einen Trinkspruch aus: »Auf die Freiheit und die Schulden, die man eintreibt.«
    Der Junge stieß mit seinem Glas an das des Bauern.
    Joan war von dieser Geschichte beeindruckt. In der Nacht schrieb er in sein Buch: »Nicht einmal die Könige haben das Recht, diejenigen zu verraten, die ihnen treu sind.«

56
    J oan konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Die Geschichte des
remensa
beanspruchte all seine Gedanken. In dieser Geschichte gab es etwas Widersprüchliches, etwas, das nicht zusammenpasste. Am nächsten Morgen ging er zu Meister Eloi, um ihn zu fragen.
    »Meister, nach dem Vertrag von Guadalupe gibt es doch keine
remensas
mehr. Die Missbräuche wurden abgeschafft, und die Bauern sind frei, nicht wahr?«
    Der Mann polierte zusammen mit einem Lehrling das Innere eines Kanonenrohrs und blickte ihn erstaunt an.
    »Warum fragst du, Joan?«
    »Antwortet mir bitte. Es ist wichtig.« Seine Stimme verriet Angst.
    Der Alte zog sich die Handschuhe aus und kratzte sich am Kopf.
    »Nun ja, nicht alle haben die Freiheit erhalten.«
    »Tatsächlich?«
    »Die Ärmsten nicht. Der Vertrag legt fest, dass sie ihren Herren eine Ablöse von sechzig Sueldos bezahlen mussten, um die Freiheit zu erlangen, und viele hatten dieses Geld nicht. Darum blieben sie Leibeigene.«
    »Sechzig Sueldos!«, rief Joan. »Diese Summe schuldet ihm der König, wie er behauptet!«
    Plötzlich begriff er alles. Die Schulden, die Joan von Canyamars beim König eintreiben wollte, waren kein Geld.
    »Entschuldigt, Eloi. Ich muss fort!«, rief er dem Meister zu, der ihm verwundert nachsah.
    Er zog sich die Lederschürze aus und rannte davon. So schnell wie möglich wollte er zur Plaza del Rey kommen. Es wurde gerade zur zwölften Stunde geläutet, als er durch die Porta Ferrissa lief. ›Zu spät, ich komme zu spät‹, sagte er sich. Während er rannte, fragte er sich, wen er retten wollte – den alten
remensa
vor seinem Wahnsinn, den König oder beide.
    »Herrgott, mach, dass es nicht stimmt, dass ich mich irre«, bat er.
    Rund um die Kathedrale drängten sich viele Leute. Er musste sich mit Stößen durchkämpfen. Als er auf den Platz kam, hörte er, dass man den König hochleben ließ. Mit den Ellbogen stieß er die Schaulustigen beiseite, ohne auf die Proteste und die Schläge, die er einsteckte, zu achten. Als er die vorderste Linie erreichte, sah er entsetzt, dass er zu spät kam. Die Leute, die die öffentliche Audienz verließen, standen in Gruppen am Fuß der großen Freitreppe, die zu den Schlosstüren und zur Santa-Ágata-Hofkapelle führte. Die Schaulustigen machten Platz für das Gefolge und die Diener. Diese hielten die Maultiere und Pferde bereit, die das königliche Gefolge zur Residenz bringen sollten. König Ferdinand blieb auf der vorletzten Stufe stehen, um mit einem Höfling zu sprechen, als ein Mann aus der königlichen Kapelle trat. Schnell lief er die Treppe hinunter und auf den Monarchen zu, der mit dem Rücken zu ihm stand. Inzwischen ließ er seinen Mantel fallen und zog ein kurzes und breites Schwert.
    Es war Joan von Canyamars, der seine Schulden eintreiben wollte. Joan sollte nie erfahren, ob er als Erster geschrien hatte. Beunruhigt machte der König eine heftige Bewegung, obwohl er dem Schwert nicht ausweichen konnte.
    »Verrat!«, rief der Monarch, wobei er sich den Hals mit einer Hand schützte. »Verrat!«
    Der
remensa
wollte ihm noch einen Stoß versetzen, aber es war schon zu spät. Ein Höfling drängte sich zwischen beide, während man dem Bauern die Arme festhielt und ihn mit drei Dolchstichen verwundete.
    »Tötet ihn nicht!«, befahl König Ferdinand und versuchte, den Angreifer zu erkennen.
    Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke, und der
remensa
schrie trotz seiner Wunden: »Das war für die sechzig Sueldos. Verräter!«
    Der König war einer Ohnmacht nahe, und mehrere Männer brachten ihn zum Königsschloss hoch, während sie laut nach Ärzten riefen. Man führte den Angreifer ab. Joan stand umringt von der Menge, die ebenso fassungslos wie er war. Er sah, wie die

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