Am Horizont die Freiheit
Aufteilung großzügig ist.«
»Den größten Teil behält Vilamarí für die Schiffskosten, für seine eigene Tasche und für den König«, murmelte der Seemann. »Und uns, die wir unser Leben aufs Spiel setzen, gibt er die kümmerlichen Reste. Manchmal haben wir nur noch alten Zwieback und das wenige zu essen, was wir angeln können.«
Obwohl ihm der Mann Furcht und Abscheu einflößte, war Joan zufrieden. Er schaffte es, diesen mürrischen Mann zum Reden zu bringen, wobei er seinen Hass herunterschluckte. Der Erfolg ermunterte ihn, und er entschloss sich, ihn auszufragen.
»Ja, aber wenn Ihr es nötig habt, überfallt Ihr die Dörfer an der Küste«, sagte er in vertraulichem Ton. »Ihr nehmt alles, was Wert hat, und verkauft die Gefangenen auf dem Sklavenmarkt. Das bringt Geld ein.«
Der Mann stürzte sein Glas hinunter, und als er es vollgießen wollte, sah er, dass sein Krug leer war. Er rief den Wirt und verlangte einen neuen. Misstrauisch starrte er Joan mit seinem einen Auge an.
»So etwas tun wir nur auf feindlichem Gebiet.«
Der Junge lächelte und schüttelte den Kopf, als handelte es sich um ein Geheimnis unter Kollegen, und er zwinkerte ihm zu.
»Ach was.« Er sprach in leisem und vertraulichem Ton. »Man weiß, dass Ihr die katalanischen Küsten überfallt, und nachdem Ihr Euren Spaß mit den Frauen hattet, verkauft Ihr sie in Italien.«
Der Mann goss sein Glas aus dem Krug voll, den ihm der Wirt gebracht hatte, und starrte Joan an. Dann brummte er: »Wer bist du?« Er hob die Stimme. »Du willst mich aushorchen, stimmt’s?«
»Ich bin nur ein Junge, der die Heldentaten der Flotte bewundert und der gern mit Euch an Bord gehen würde.«
»Mit mir?« Er lachte laut. »Was ist los, bist du etwa schwul?«
»Nein. Ich …«
»Oder du willst mich zum Reden bringen …« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Aber ich weiß schon alles.« Joan wollte ihn beruhigen. »Ich weiß sogar, dass Ihr Euch einen Turban umbindet und vortäuscht, Maure zu sein, wenn Ihr die Küstenorte überfallt.«
Überrascht und erschrocken riss der Seemann sein vom Wein getrübtes Auge auf.
»Ihr sollt mir nur sagen, wo Ihr die katalanischen Gefangenen in Italien verkauft.«
»Verdammt sollst du sein!«, rief der Mann und schlug wieder auf den Tisch. »Ich soll wohl alles ausplaudern und am Galgen enden?«
Er suchte in den Falten seines Umhangs, und im Licht der Öllampe erglänzte sogleich ein spannenlanges Messer mit breiter Klinge. Er stand auf, bereit, es mit dem Jungen aufzunehmen.
Joan hatte viele Wirtshausschlägereien erlebt. Er war auf diese Situation vorbereitet und wusste, wenn ein Seemann seine Waffe zeigte, war das nicht nur, um den anderen zu erschrecken. Äußerst schnell sprang er auf, packte seinen Schemel und hielt ihn vor sich wie einen Schutzschild. Dazu rief er: »Mörder!«
Das tat er, um die Wirtsleute auf sich aufmerksam zu machen. Sie sollten den Seemann mit dem Messer in der Hand sehen. Doch er hatte zehn Jahre lang davon geträumt, dieses Wort dem vor ihm stehenden Kerl ins Gesicht zu schleudern, während er ihm seinen Dolch in den Körper rammte und seinen Vater rächte. Als er es aussprach, ließ es aus seinem Innern eine Wut entweichen, die ihn berauschte. Er hasste diesen Mann maßlos und fürchtete ihn zugleich. Doch in diesem Moment hing sein Leben davon ab, dass er ruhig Blut bewahrte und es ausnutzte, dass sein Feind so viel getrunken hatte.
Der Seemann stieß zu und ergriff zugleich den Schemel mit der linken Hand. Kurze Zeit suchte sein eines Auge nach denen Joans, und in ihnen entdeckte der Mann etwas, was seine Erinnerungen weckte.
Joan wich dem Messerstich mühelos aus, doch er konnte nicht verhindern, dass ihm der Mann den Schemel aus der Hand riss und zur Seite warf. Der Junge zog seinen spitzen Dolch, streckte ihn vor und packte den Mantel des anderen mit der linken Hand.
»Ich schneide dir die Zunge ab, du Spitzel!«, knurrte ihn der Mann an.
»Mörder!«, rief Joan abermals.
Er nutzte die Atempause, in der sich beide abschätzend musterten, um sich den Mantel um den linken Arm zu wickeln, wobei er den anderen mit seinem Dolch ständig weiter bedrohte. Unverzüglich ergriff der andere den Weinkrug und warf ihn nach ihm. Joan hatte erwartet, was kam. Er hielt den Wurf mit dem von seinem Mantel geschützten Arm auf und verhinderte mit demselben Arm den Messerhieb, den der andere, wie er wusste, gegen ihn richten würde und der den Hals treffen sollte.
Joan
Weitere Kostenlose Bücher