Am Horizont die Freiheit
konnte, ließ er es abtrocknen, und man lud nach. Der Schuss ging wieder daneben, und das Ziel entfernte sich allmählich. Joan schluckte seinen Ärger herunter – ihm blieben nur noch wenige Möglichkeiten. Die zweite Feldschlange war inzwischen bereit. Joan stellte seine Berechnungen an. Der Schuss krachte, und eine Splitterwolke stieg an der Steuerbordseite der Fuste auf. Der Triumphschrei, der sich auf der Galeere erhob, machte es unmöglich, die Rufe der Sarazenen zu vernehmen. Die Kugel war zwischen den Ruderern eingeschlagen, und obwohl sie ungefähr zwanzig Pfund wog, hatte sie keinen großen Schaden angerichtet. Allerdings hatte sie ein paar Männer verletzt. Die Fuste neigte sich nach Steuerbord und verringerte kurzzeitig die Fahrt, doch unverzüglich ersetzte man die Verwundeten und floh beinahe mit der gleichen Geschwindigkeit weiter. Trotzdem hatte sich etwas Entscheidendes verändert. Alle wussten jetzt, dass die Galeere die Fuste treffen konnte.
Von den nächsten Schüssen trafen der dritte und der fünfte. Der eine erreichte das Kampanjedeck und der andere die Ruderbänke. Als der sechste Schuss im berberischen Schiff einschlug, verkürzte die Galeere allmählich den Abstand zu der getroffenen Fuste.
»Schieß auf die andere«, hörte Joan.
Er drehte sich um. Der Kapitän selbst hatte zu ihm gesprochen. Nun verstand er, dass sie mit der
Santa Eulalia
die andere Fuste erreichen und die erste den anderen beiden Galeeren als Beute überlassen wollten.
»Sie ist sehr weit entfernt, Herr Kapitän«, gab Joan zu bedenken.
»Gehorche, und sieh zu, dass du triffst«, forderte Kapitän Perelló.
Erst beim vierten Schuss traf Joan sein neues Ziel. Auf der Fuste kam es vorübergehend zu Unruhe, doch sie floh weiter und gewann Abstand. Joan brauchte noch fünf Schüsse, bis er wieder traf, die Verfolgung dauerte schon über zwei Stunden. Der Rudermeister bemühte sich, das Rudertempo beizubehalten. Man hörte Schreie, Flüche und Peitschenhiebe, doch das Tempo der Fuste nahm ab. Die meisten berberischen Ruderer waren Freiwillige, die bei Kämpfen zu den Waffen griffen. Für sie standen Leben und Freiheit auf dem Spiel, und darum strengten sie sich aufs Äußerste an, während sich auf der Galeere die Erschöpfung deutlicher bemerkbar machte.
Als die Fuste schon beinahe über die Reichweite der Feldschlange hinausgelangt war, krachte endlich eine Explosion an Bord. Sie war nicht sehr stark, doch sie hatte gewiss einige Männer verletzt, weil das Schiff endlich seine Geschwindigkeit verringerte.
»Jetzt gehört sie uns!«, schrie der Kapitän, und er trieb mit seinen Rufen den Rudermeister an und dieser die Aufseher. Peitschenhiebe klatschten auf die Rücken der Galeerensträflinge.
Als sie schon an ihre Beute herangekommen waren, hörte man Schüsse: zwei Arkebusen, die die Sarazenen am Heck postiert hatten. Doch der vordere Seitengang der Galeere diente als kleines Vorderkastell, das die Mannschaft schützte. Als sich der Abstand verkürzte, stellte man auf der Galeere ein halbes Dutzend Arkebusen am Bug auf und beschoss damit das feindliche Schiff, während die Pfeile der Sarazenen keinen Schaden anrichteten. Als das Entern unmittelbar bevorstand, lud Joan die Kanone, doch anstelle von Kugeln stopfte er Säckchen voller Nägel und Ketten hinein. Man wollte der Besatzung und nicht dem Schiff schaden.
Einige Sekunden, bevor sie das Heck der Fuste stürmten, feuerten die drei Geschütze der Galeere gleichzeitig los und säuberten das Deck von Feinden. Die vom Offizier Torrent befehligten Fußsoldaten rannten über den Rammsporn und enterten die Fuste unter lautem Geschrei. Von ihren Schilden geschützt und mit eingelegten Piken nahmen sie unverzüglich das kleine Kampanjedeck ein. Dann kämpften sie Mann gegen Mann weiter. Der Kapitän stellte bewaffnete Seeleute hinter den Fußsoldaten auf, doch sie waren nicht notwendig. Der Kampf dauerte lediglich ein paar Minuten. Die Fuste war nicht einmal halb so groß wie die Galeere und hatte nur zwölf Ruderbänke. Die Sarazenen wehrten sich zwar tapfer, hatten aber viele Verwundete, und sie waren von den langen Stunden erschöpft, in denen sie mit letzter Kraft gerudert hatten.
Von den einhundertvierzig Männern der Fuste starben sechsundvierzig im Kampf, und die fünfundzwanzig Schwerverletzten wurden über Bord geworfen. Unter den Überlebenden waren zweiundzwanzig christliche Sklaven, die ihre Freiheit erhielten, die unverletzten oder leicht verwundeten
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