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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Anweisungen von einem Galeerensträfling zu erhalten, und auf seine Fragen antworteten sie nur widerwillig. Doch er kannte diese Feldschlangen gründlich. Sie waren die modernsten Waffen der Artillerie. Man hatte sie aus guter Bronze und einem einzigen Guss hergestellt. Sie wurden an der Rohrmündung geladen, anders als die aus mehreren Eisenstücken bestehenden alten Modelle, die Hinterlader waren und oft platzten. Er überprüfte, ob sich die Zapfen richtig drehten, die das Metallstück auf seine Holzunterlage – die Lafette – stützten und die Höhenrichtung gewährleisteten. Danach verlangte er vom Zimmermann mehrere Veränderungen, damit er die Geschütze einige Grade parallel zum Deck drehen und die horizontale Richtung sichern konnte.
    Bald erkannten die Artilleristen, dass Joan ganz genau wusste, was er tat. Von da an arbeiteten sie mit ihm zusammen. Genís, der Steuermann, der Joan offenbar sympathisch fand, unterstützte ihn, und seine Rufe und Drohungen bewirkten, dass die Seeleute am Ende einigermaßen schnell gehorchten.
    Joan überzeugte sich, dass die Kugeln einheitlich und vom richtigen Kaliber waren. Er kontrollierte die Qualität des Pulvers in den Fässern und verlangte, dass man gute Stoffbeutel herstellte, die alle genau die erforderliche Pulvermenge enthalten sollten. Er wollte nur das Pulver aus den Fässern benutzen, die mit den Zeichen zweier ihm bekannter Hersteller aus Barcelona versehen waren.
    Man warf ein paar leere und gut abgedichtete Fässer ins Meer, die unten ein Gewicht und oben einen Wimpel trugen. Man ließ sie in einer Entfernung schwimmen, wie sie die berberische Fuste hatte, als sie entkam. Das Schiff in Schussposition zu bringen, um das Ziel immer von vorn vor sich zu haben, war eine große Herausforderung für den Rudermeister, der die letzte Verantwortung für die Fahrtrichtung der Galeere trug. Die Manöver erschöpften die Sträflinge.
    Joan konnte eine annehmbare Feuergeschwindigkeit erreichen, indem er die beiden Feldschlangen abwechselnd abschoss. Während eine von ihnen zielte, kühlte die andere Mannschaft die zweite mit Wasser aus Eimern und trocknete sie mit Tüchern ab. Dann stieß man durch die Rohrmündung den Pulverbeutel und als Nächstes Werg hinein, um beim Schießen das Austreten von Gasen durch den Raum zwischen Geschoss und Rohr zu verhindern. Nun kam die Kugel, die mit einer weiteren Wergschicht bedeckt wurde. Alles wurde mit dem Kanonenstopfer, einem großen, mit einer Stoffkugel endenden Stock, bis ans Ende gestoßen. Wenn alles fest zusammengepresst war, durchlöcherte man unten den Pulverbeutel von der Luntenöffnung aus und füllte ihn mit noch mehr Pulver. Dann musste man zielen. Joan wusste: In diesem Augenblick setzte er alles aufs Spiel. Wenn ihm das misslang, hätte er seine große Chance, sich vom Rudern zu befreien, verpasst. Erfolgreiches Zielen war an Land nicht leicht, doch auf dem Meer war es außerordentlich schwierig, denn sowohl das Geschütz als auch das Ziel waren in ständiger Bewegung, was die Zweifel der Offiziere erklärte.
    Aber Joan kannte sich nicht nur mit Kanonen aus, sondern seit seinen Kindertagen auch mit Booten, und obwohl eine Galeere viel größer war und deshalb anders hin und her schaukelte, sah er ihren Bewegungsrhythmus zutreffend voraus und ahnte, wann sie sich das nächste Mal zur Seite neigte. Er wusste, wie lange es genau dauerte, wenn man in der Öffnung oben am Kanonenrohr die brennende Lunte ans Pulver hielt, bis es detonierte. Ebenso, wann das Schiff in seinem Auf und Ab den höchsten und den niedrigsten Punkt erreichte. Vorher hatte er das Geschütz dem Abstand und der Parabel entsprechend ausgerichtet, die die Schwerkraft bei der Kugelbahn bewirkte, wie er es in dem italienischen Buch studiert und auf dem Montjuic geübt hatte.
    Kein einziger Schuss traf die Fässer, doch nach Joans Ansicht waren sie nahe genug herangekommen, dass sie ein größeres Ziel wie zum Beispiel ein Schiff erreicht hätten. Als er mit der Übung fertig war, kamen trotzdem die Aufseher, brachten ihn zu seiner Galeerenbank und ketteten ihn an.
    »Du hast überhaupt nichts getroffen!«, spottete Garau, als er ihn an die Bank kettete. Er klopfte ihm allzu kräftig auf den Rücken. Joan sprang vor Schmerz hoch. Garau hatte ihm auf die von der Peitsche gerissenen Wunden gehauen.
    Jerònim, der freiwillige Ruderer, lachte laut, und mehrere Sträflinge taten es ihm nach. Joans kurzzeitiger Aufstieg hatte offenbar weder den Aufsehern

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