Am Horizont die Freiheit
beeilen. Wenn er unter den Piraten vor Sardinien aufgeräumt habe, solle er das Gleiche auf Sizilien tun. Für Joan war dies fast eine Erleichterung. Er wollte sich nicht vorstellen, wie qualvoll es wäre, wenn er im Hafen von Neapel angekettet in einer Galeere sitzen würde und wüsste, dass seine Liebste ganz nahe war.
Bevor die Flotte nach Sizilien fuhr, ankerte sie wieder vor Alghero. Dort nahm sie Proviant auf, und die Offiziere wurden mit Bällen und abendlichen Empfängen geehrt. In dieser Nacht blieben auf dem Schiff nur die Sträflinge unter der Aufsicht Garaus und einiger Wachsoldaten zurück. Diese nutzten die Abwesenheit der Offiziere und würfelten auf dem Kampanjedeck.
Da tauchte Garau zusammen mit Jerònim im Mittelgang auf. Dieser war ein freiwilliger Ruderer und darum nicht angekettet. Wenn man danach urteilte, wie sie redeten und lachten, hatten sie ziemlich viel getrunken.
Sie blieben bei Joan stehen, flüsterten und lachten, und dann gingen sie zur Bank dahinter, zu der Jerònims. Joan blickte Carles an und sah, dass dieser sehr angespannt war. Er hatte Angst. Der Junge schüttete seinen Segeltuchbeutel schnell vor seinen Füßen aus. Für etwas anderes blieb ihm keine Zeit. Jerònim packte ihn an der Schulter und zog ihn zu sich.
»Lass mich los!«, schrie Carles.
Mehr konnte er nicht rufen. Sanç, Jerònims Kumpan, warf trotz seiner Ketten den Jungen auf seine Knie. Sie mussten es vorher geplant haben. Garau lachte und stopfte ihm inzwischen gewaltsam ein paar Lappen in den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Du überlässt uns ein Weilchen deine Liebste, nicht wahr?«, wandte sich Jerònims Säuferstimme an Joan.
Jerònim und Sanç rangen mit Carles, während ihm der Aufseher die Ketten abnahm.
»Was macht ihr mit ihm?«, fragte Joan entsetzt.
»Du halt den Mund, wenn du weiterleben willst!«, bedrohte ihn Garau.
Joan wehrte sich verzweifelt, doch sie waren drei kräftige Männer, und im Nu zogen sie ihm Hose und Hemd aus. Sein milchweißer Körper hob sich im Halbdunkel ab.
Die Männer lachten, und Jerònim sagte: »Wehr dich nicht. Wir wissen ja, dass es dir gefällt, du Sodomit.«
Joan zögerte einen Augenblick. Er hatte Angst. Er wusste, dass es für ihn keine Gerechtigkeit gäbe, wenn er Carles verteidigen würde. Man würde ihn bestrafen, und all seine Hoffnungen, dass sich seine Lage bessern würde, dass man seinen geschickten Umgang mit den Feldschlangen anerkannte und ihm erlaubte, seine Liebste in Neapel zu besuchen, würden dahinschwinden. Doch er fühlte, dass er seinen Freund nicht im Stich lassen durfte. Wenn er ihm nicht half, würde ihn die Erinnerung an seine Feigheit sein ganzes Leben lang verfolgen.
Sobald er sich entschlossen hatte, verwandelte sich seine Angst in Wut. In eine gewaltige Wut.
Er hatte eine Kette am rechten Fuß und eine am linken Arm, doch er konnte sich mit ihnen einigermaßen frei bewegen. Er war stämmiger als alle seine Gegner, und sie ahnten nicht, was er vorhatte. Er machte mit dem linken Bein einen Schritt zur Bank hinter sich, holte aus und konzentrierte seine ganze Kraft in einen einzigen wütenden Faustschlag, mit dem er Garau ins Gesicht traf. Dieser fiel rücklings in die Arme der Ruderknechte auf der nächsten Bank. Ohne ihm Zeit zu einem Gegenangriff zu lassen, legte Joan die Kette seines linken Arms um Jerònims Hals, zerrte ihn zu seiner Bank und würgte ihn. Sanç ließ Carles los, um seinem Kumpan zu helfen, und der Junge stürzte sich auf die Gegenstände aus seinem Beutel, die am Boden verstreut lagen.
Joan hatte gesehen, dass Carles in den Ruhepausen darin herumhantiert hatte, obwohl er sich bemühte, seine Bewegungen zu verbergen. Joan hatte so getan, als blicke er nicht hin, doch er wusste, dass Carles seine Eisenketten als Werkzeug benutzte. Als er sah, wie der andere einen langen, spitzen Holzspan packte, den er aus der Bank gerissen hatte, begriff er, womit sich Carles abgemüht hatte.
Mit verzweifelter Wut stürzte sich der Junge auf Garau und verletzte ihn mit mehreren Stichen. Als Erstes traf er ihn am Hals. Carles war so schnell und Joan ließ Jerònim so langsam los, dass der Junge, als Joan reagierte, auch dem freiwilligen Ruderer schon mehrmals seinen Span in die Eingeweide gestoßen hatte.
»Verzeih mir, verzeih!«, flehte Jerònim.
Sanç versuchte inzwischen, so weit wegzurücken, wie es ihm seine Ketten erlaubten, damit ihn der Junge nicht auch noch verletzen würde. Aber Carles beachtete ihn gar
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