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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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nicht und drehte sich um, um Garau vollends zu töten. Der Aufseher lag auf dem Deck und rührte sich nicht, als ihn weitere Hiebe trafen. Die Schnitte hatten ihm die Halsschlagader durchgetrennt, und er blutete wie ein abgestochenes Tier.
    Carles lief zu Jerònim zurück, der sich auf dem Boden zusammengekauert hatte, und wollte ihm seine Waffe abermals ins Fleisch stoßen. Der freiwillige Ruderer schrie laut auf. Doch die Spitze des Holzmessers war schon abgestumpft, und Carles warf den Span auf den Boden. Er, der immer noch nackt war, blickte seinen Freund mit einem tragischen Lächeln an.
    »Dafür werden sie uns hinrichten«, murmelte Joan.

70
    A ls die Offiziere aufs Schiff zurückkamen, entdeckten sie, dass der Aufseher tot war und der freiwillige Ruderer eine klaffende Bauchwunde hatte. Der Bordarzt schüttelte besorgt den Kopf. Das war keine saubere Wunde wie die von einer Stoßwaffe. Er entdeckte Splitter in den Eingeweiden des Mannes und erklärte, die Wunde werde sich gewiss verunreinigen. Er irrte sich nicht, als er den Tod Jerònims ankündigte.
    »Du bist in diese Geschichte hineingeraten, weil du mir geholfen hast«, sagte Carles, als sie ihn wieder an die Bank anketteten. »Seit langem habe ich auf den Moment gewartet. Ich wusste, dass sie es auf mich abgesehen hatten. Aber ich habe nicht mit deiner Hilfe gerechnet. Dafür danke ich dir. Ich allein bin für den Tod des Aufsehers und für Jerònims Verletzungen verantwortlich. Ich werde aussagen, dass du es verhindern wolltest, aber nicht konntest. Du musst es genauso darstellen. Wenn du gestehst, dass du Garau geschlagen hast, verurteilen sie dich zum Tode.«
    Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, trat Kapitän Perelló als Richter auf. Das Kampanjedeck wurde zum Gerichtssaal, wo nur die Offiziere anwesend waren. Nacheinander und einzeln vernahm er mehrere Ruderknechte als Zeugen. Dann verhörte er die beiden Angeklagten. Joan erklärte, wie es ihm Carles angeraten hatte, er habe dessen Angriff auf den Aufseher verhindern wollen, und das sei ihm nicht gelungen. Doch er betonte auch nachdrücklich, dass sich der Junge lediglich gegen die Sodomiten verteidigt hätte, die ihn vergewaltigen wollten.
    »Auf meinem Schiff gibt es keine Sodomiten«, widersprach der Kapitän.
    Der Junge begriff nun, was er schon geahnt hatte. Dem Kapitän kam es nicht auf Gerechtigkeit an, vielmehr wollte er die Ordnung auf der Galeere aufrechterhalten und der Autorität größeren Respekt verschaffen. Dieser Offizier wusste sehr wohl, dass man sich auf dem Schiff wie auf so vielen anderen höchstwahrscheinlich der Sodomie ergab. Doch davor verschloss er die Augen, solange man sich an die Regeln hielt. Und Admiral Vilamarí, der auf seiner Bank etwas abseits saß und dem Gerichtsverfahren zuschaute, ohne einzugreifen, war ganz gewiss derjenige, der diese Regeln festlegte.
    Die Aufseher brachten kurz danach Carles, Joan und Sanç zum Großmast auf dem Mittelgang. Als die Mannschaft die Trommelwirbel hörte, kam sie an Deck. Die Galeerensträflinge richteten sich auf, um die exemplarische Strafe mit anzusehen, die man ausüben würde.
    Der Rudermeister verlas das Urteil: »Dreihundert Peitschenhiebe für den Sträfling Carles, der danach am Hals bis zu seinem Tode aufgehängt wird, weil er einen Aufseher angegriffen und getötet hat. Zehn Peitschenhiebe für die Sträflinge Sanç und Joan, weil sie ihn nicht zurückhalten konnten, obwohl sie es versucht haben.«
    Carles sah Joan an.
    »Danke, dass du mir geholfen hast«, sagte er. »Es sind nur zehn Peitschenhiebe. Die wirst du überleben.«
    »Es tut mir sehr leid«, antwortete Joan bekümmert. »Das ist eine große Ungerechtigkeit.«
    »Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht lebend von hier wegkomme.« Er umarmte ihn.
    Joan hielt ihn umschlungen, bis man sie trennte und ihn an den Großmast band. Er stellte überrascht fest, dass es keine Pfiffe, Spottreden und Lachsalven gab. Alle fanden sich wortlos mit der Umarmung ab. Sowohl das Rudervolk als auch die übrige Mannschaft wusste, was tatsächlich vorgefallen war, und Carles hatte ihre Achtung gewonnen.
    »Du warst mein bester Freund«, sagte der Junge.
     
     
    Joan und Sanç wurden als Erste ausgepeitscht, während Carles beim Pfarrer beichtete und die Absolution erhielt. Bei alldem blieb er bewundernswert ruhig. Dann zog man ihn nackt aus und band ihn so an den Mast, dass er dem Henker den Rücken zudrehte. Die Strafe begann.
    Carles hatte eine strahlend weiße

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