Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
zum Knarren brachten. Gedankenversunken ließ er seinen Blick über das Meer schweifen. Eine Wolke schien die bedrohliche Gestalt eines geduckten und sprungbereiten Löwen anzunehmen. Angst überwältigte ihn. Das Licht des Mondes konnte nichts dagegen ausrichten, dass sich sein Inneres mit Finsternis füllte. Ob der Admiral am Ende recht hatte?

80
    E in paar Tage später kam die Flottille in Reggio an. Diese Stadt liegt fast an der Spitze des Stiefels, den die italienische Halbinsel bildet. Dort hielt sie mehrere Stunden, um Wasser und Proviant aufzunehmen. Danach fuhren sie durch die Straße von Messina, die Sizilien vom Festland trennt, und segelten parallel zur kalabrischen Küste weiter nach Norden. Am Morgen des vierten Tages kamen sie über die Landspitze Punta Campanella hinaus und ließen die Insel Capri links liegen. Vor ihnen breitete sich die große Bucht von Neapel aus. Trotz der feuchten Augusthitze war die Sicht gut, und Joans Freund, der Steuermann Genís, deutete auf die Stadt am Horizont.
    »Genau nördlich der Bucht liegt Neapel, die Hauptstadt des Königreichs«, erklärte er.
    Joans Herz klopfte schneller, als er diesen Namen hörte. Er verging vor dem ungeduldigen Verlangen, Anna zu treffen, ihr Gesicht, ihr Lächeln wiederzusehen.
    »Links davon liegen die Inseln Ischia und Procida«, erklärte der Steuermann weiter und zeigte mit dem Finger nach vorn. »Und wenn wir etwas weiter in die Bucht hineingefahren sind … Dort!«, sagte er und wies nach rechts. »Das dort ist der Vesuv.«
    Das Meer war tiefblau, der Tag klar und die Landschaft schön, doch es fiel Joan schwer, den Hinweisen des Steuermanns zu folgen. Er dachte sich einen Plan nach dem anderen aus, wie er Anna finden könnte. Die Buchhandlung war der entscheidende Ort. Gewiss war der Buchhändler ein guter Freund von Bartomeu, und Anna musste diesen Mann kennen, denn er war ihr heimlicher Kurier.
    Bartomeu hatte noch nicht auf seinen Brief geantwortet. Joan kannte den Namen des Buchhändlers nicht, und in Neapel gab es ziemlich viele Buchläden.
     
     
    Bald zeigte sich Neapel in all seiner Schönheit. Die Stadt lag im Süden der Bucht. Im Norden wurde sie von einigen sanften Bergen mit grünen Baumgruppen begrenzt, und eine zuverlässig aussehende Mauer umgab sie. Im Osten, zwischen Mauern und Meer, lag ein Strand, wo man Schiffe mit geringem Tiefgang an Land ziehen konnte, doch im Westen reichten die Mauern unmittelbar bis zum Wasser hin. In diesem Bereich erhob sich das eindrucksvolle Castel Nuovo, die Residenz der in Neapel herrschenden aragonesischen Dynastie. Von der Festung ging ein breiter Hafendamm in L-Form aus, der ins Meer hineinragte und den Schiffen geschützte Ankerplätze bot. Weiter östlich, auf einer kleinen Insel, befand sich das mächtige Castel dell’Ovo, und mitten in der Bucht, zwischen den beiden Kastellen, erhob sich ein Festungsturm, der als Leuchtturm diente. Der Steuermann zeigte auf die Kirchtürme und die großen Gebäude, die er beim Namen nannte. Joan wunderte sich, dass die Stadt im Westen, zum Landesinnern hin, noch eine weitere Festung hatte, das Castel Capuano, einen ehemaligen Königspalast. Gewiss war dies eine reiche und blühende Stadt.
    Das Geschwader gab seine Salutschüsse ab, die vom Castel Nuovo aus erwidert wurden. Sobald die
Santa Eulalia
angelegt hatte, ging der Admiral an Land, wo ihn ein Empfangskomitee erwartete. Vilamarí wusste, dass König Ferdinand von Neapel schon länger als sechs Monate tot war und dass sein Sohn Alfons, sein Waffenkamerad bei der Rückeroberung Otrantos, als neuer König herrschte.
    Alfons empfing seinen alten Kameraden mit Bekundungen großer Zuneigung und unterrichtete ihn über die allgemeine Lage. Der französische König Karl  VIII . wollte in Italien eindringen und es mit einem riesigen Heer von Norden nach Süden durchziehen. Er behauptete, er wolle seine Truppen in der Nähe der Türken aufstellen, um gegen sie zu kämpfen, doch offenkundig strebte er auch danach, sich des Königreichs Neapel zu bemächtigen, denn er berief sich auf Erbansprüche, die von der Dynastie Anjou herrührten.
    Alfons kam dem Angriff zuvor und schickte ein Geschwader von sechsunddreißig Galeeren, achtzehn großen und zahlreichen kleineren Segelschiffen in den Hafen von Livorno, um die französische Flotte aufzuhalten. Er dankte für Vilamarís Angebot, doch die Feindseligkeiten waren noch nicht eröffnet, und vorläufig benötigte er seine Hilfe nicht.
     
     
    Joan

Weitere Kostenlose Bücher