Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
hasste und sich nach Rache sehnte. Das konnte und wollte Joan nicht länger verheimlichen, und Vilamarí las es jeden Tag in seinen Augen, doch aus irgendeinem unbekannten Grund schien er Freude daran zu finden, ihn in seiner Nähe zu haben, obwohl er diesen Groll und diese lauernde Gefahr spürte.
    Der Admiral spielte mit ihm. Aber Joan lebte in der Hoffnung, dass er eines Tages einen Fehler machen würde. Dafür betete er. Dann würden sie die Rollen tauschen, und das gejagte Wild würde sich in den Jäger verwandeln. Dies würde der letzte Tag des Admirals sein.

78
    J oan bat Genís: »Erzählt mir von Otranto und seinem Sklavenmarkt.«
    Die
Santa Eulalia
fuhr mit aufgespanntem Segel, die Sträflinge wechselten sich beim Rudern ab. Es war ein etwas unfreundlicher Tag mit aufgewühltem Meer und frischem Wind. Sie saßen an einem Ende des Kampanjedecks und stützten die Füße auf den Mittelgang. Niemand konnte sie hören, während die Trommel das Rudertempo angab, der Wind blies, die Offiziere in der Mitte des Kampanjedecks redeten und draußen die Aufseher schrien.
    Joan wollte weitere Auskünfte sammeln, um den Aufenthaltsort seiner Familie herauszufinden. Obwohl das Thema der Überfälle auf christliche Ortschaften sehr problematisch war und man es nur im Rahmen des unbedingt Notwendigen erwähnte, ließ es sich in diesem Moment nicht vermeiden.
    Der Steuermann war ungefähr dreißig Jahre alt, und Joan fragte sich, ob er auf der Galeere Vilamarís gedient hatte, als sie sein Dorf überfielen. Trotzdem fürchtete er sich, ihn direkt zu fragen, weil dieser darin ein ungewöhnliches Interesse erkennen und misstrauisch werden könnte. Dann wäre das Gespräch zu Ende, wie es mit dem Einäugigen in der Schänke geschehen war.
    Der Offizier machte eine Pause, bevor er antwortete. Er blickte aufs Meer hinaus, und endlich sprach er.
    »Otranto gehört zum Königreich Neapel, aber es befindet sich am Eingang des Adriatischen Meeres. Von Otranto bis zur Stadt Neapel muss man mehr als acht Tage mit dem Schiff fahren, doch es liegt am Handelsweg von Venedig ins übrige Mittelmeer und ist nur einen Tag von der albanischen Küste entfernt, die schon teilweise von den Türken beherrscht wird.
    Wegen ihrer Niederlage bei Rhodos begannen die Türken als Vergeltungsmaßnahme einen Überraschungsangriff auf Otranto. Sie setzten ebenfalls überlegene Kräfte ein und eroberten die Stadt. Auf Befehl des Königs von Aragonien stellte sich Vilamarí in den Dienst König Ferdinands I. von Neapel. Er befehligte seine eigenen Schiffe und die neapolitanische Flotte und belagerte die Stadt von der Seeseite aus. Alfons von Kalabrien, der Erbe des neapolitanischen Throns, dessen Streitkräfte mit Truppen aus anderen italienischen Staaten und aus Ungarn verstärkt wurden, belagerte inzwischen die Stadt von der Landseite her. Beide gemeinsam zwangen die Türken, sich zu ergeben.
    Jetzt ist Otranto ein Freihafen. Es liegt zu nahe am Osmanischen Reich, vor dem es nur ein unsicherer Frieden schützt, und zu weit von der Hauptstadt des Königreichs entfernt. Es hat einen gutbesuchten Sklavenmarkt, und die Sklaven stammen aus den Überfällen von Korsaren und Piraten.«
    »Aber die Sklaven, die wir mitbringen, sind Christen!«, rief Joan. »Wird der Statthalter nichts unternehmen?«
    Der Steuermann lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Der Statthalter ist mit Vilamarí seit der Zeit befreundet, als die Stadt zurückerobert wurde. Er erhält saftige Gewinne aus dem Handel mit den Gefangenen. Jeder, der Steuern bezahlt, ist hier willkommen, ganz gleich, ob er Venezianer, Türke oder Berber ist. Er stellt denen, die gute Geschäfte einbringen, keine Fragen. Die muslimischen Sklaven werden von Händlern erworben, die sie in christlichen Ländern verkaufen, und die Christen sind für das Türkenreich und sogar für ein paar weiter entfernte christliche Gebiete bestimmt, wie zum Beispiel die Insel Kreta.«
    Im Stillen sagte sich Joan, dass Otranto zu weit von Llafranc entfernt war und nicht der Bestimmungsort seiner Familie gewesen sein konnte.
     
     
    Man gab Joan die Erlaubnis, an Land zu gehen. Zusammen mit dem Steuermann besuchte er die Sklavenversteigerung. Sie fand in einem weißgekalkten Raum statt, der ebenfalls für den Rinder- und Pferdemarkt benutzt wurde. Dort wurden sowohl die Frauen als auch die Männer zu ihrer Demütigung und zum Vergnügen der Schaulustigen nackt ausgestellt. Manche weinten schweigend, wobei sie ihre Blöße mit den

Weitere Kostenlose Bücher