Am Horizont die Freiheit
spazierte inzwischen durch die fröhliche Stadt, die nichts von dem bevorstehenden Krieg wissen wollte und ihre überschäumende Lebenskraft auf den Straßen und Märkten darbot.
Sie mussten lediglich kleine Mengen Schießpulver nachfüllen, denn seitdem sie Palermo verlassen hatten, verbrauchten die Schiffe nur etwas bei Salutschüssen und ein paar Schießübungen. Trotzdem suchte er mehrere Lieferanten auf und überprüfte ihr Herstellungsverfahren, um die geeignete Qualität zu gewährleisten.
Als er am Abend auf die
Santa Eulalia
zurückkehrte, erfuhr er die schlimme Nachricht. Das Königreich Neapel benötigte die Flottille nicht, aber der Papst ersuchte um ihre Dienste. Sie würden auslaufen, sobald die Schiffe ihren Proviant aufgefüllt hatten. Eigentlich brauchten sie auch keine großen Vorräte, denn die Überfahrt nach Ostia, dem Hafen Roms, dauerte nur zwei Tage.
Joan spürte, dass etwas in seinem Innern zerriss. Ihm blieben höchstens zwei Tage. Wie sollte er die Buchhandlung finden? Er konnte nicht einfach so nach Anna fragen. Sie war nun schon sicher verheiratet und unter dem ihm unbekannten Namen ihres Mannes bekannt. Außerdem war es unangemessen, dass ein Fremder nach einer verheirateten Frau fragte. Es würde ihrem Ruf schaden und den Gatten warnen. Was sollte er tun?
In dieser Nacht konnte Joan kaum schlafen, weil er daran dachte, wie nahe er sich bei Anna befand und wie unerreichbar sie dennoch für ihn war. Bei Tagesanbruch glaubte er, die Lösung gefunden zu haben. Er hatte ein Verzeichnis der Bücher angelegt, die sich auf jedem Schiff befanden. Außer dem ersten Band des
Verliebten Roland
, den er den Offizieren der
Santa Eulalia
schon zweimal vorgelesen hatte, besaßen sie nur vier weltliche Bücher. Besonders hervorzuheben war dabei Ovids
Liebeskunst
im lateinischen Original. Die übrigen Bände enthielten Gebete, die den Offizieren nicht besonders verlockend vorkamen. Am Morgen sprach er mit Vilamarí. Es war nicht schwer, ihn zu überzeugen, dass er den Bestand seiner Bibliothek mit unterhaltsamerer Lektüre aufbessern müsse, und Joan erhielt die Genehmigung, eine Bestellung aufzugeben.
Nun hatte er schon eine gute Ausrede, um sich in den Buchläden umzusehen und nach dem mysteriösen Buchhändler zu suchen. Schließlich hatte er einen großartigen Einfall: Er wollte nach der Übersetzung des
Verliebten Roland
ins Katalanische fragen. Nur ein Buchhändler in Neapel wusste, dass es sie gab, denn er hatte sie ja allein für Anna bestellt.
Die Glocken Neapels läuteten zur Terz, als Joan an Land ging. Die Sonne beleuchtete schon die Türme. Die Stadt schien ihm noch schöner geworden zu sein, und er erlaubte es sich, ein paar Minuten den Triumphbogen zu betrachten, der sich am Eingang des Castel Nuovo befand, genau am Ende des Hafendamms, an dem die
Santa Eulalia
angelegt hatte. Joan bewunderte seine Schönheit und Harmonie, denn obwohl man ihn schon vor fünfzig Jahren erbaut hatte, zeigte er diesen neuen Stil, der sich vollständig von dem unterschied, was Joan früher gesehen hatte.
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J oan lief zur Straße der Buchhändler, die nahe bei der Kathedrale lag. Im dritten Geschäft blickte ihn der Buchhändler erstaunt an und sagte in einigermaßen feindseligem Ton: »Glaubt Ihr etwa, nur weil unsere Könige Aragonier sind, haben wir ins Katalanische übersetzte italienische Bücher? Hier verstehen wir den
Verliebten Roland
gut genug, obwohl er auf Florentinisch geschrieben ist. Was für ein lächerliches Verlangen! Wenn wir den nicht ins Neapolitanische übersetzt haben, wieso sollen wir ihn dann auf Katalanisch haben?«
Joan bedankte sich und wollte schon hinausgehen, als der Mann hinzusetzte: »Außerdem können sich die aragonischen Könige nicht halten. Bald werden wir französische haben. Kommt in einem Jahr wieder, und dann habe ich das Buch auf Französisch.«
Und er lachte schallend.
Joan setzte seinen Gang durch die Buchläden fort. Wie in Barcelona verkauften sie offenbar mehr leere Bücher als solche mit beschriebenen oder bedruckten Seiten. Alle hatten eine Buchbinderwerkstatt, und Joan atmete genussvoll den Geruch nach Papier, Leder und Druckfarbe ein. Er erinnerte sich an die Jahre, die er zusammen mit seinem Meister Abdalá bei den Corrós verbracht hatte.
Immer wieder schüttelte man auf seine Fragen hin den Kopf, und als er zum Mittagessen auf die
Santa Eulalia
zurückkehrte, war er völlig entmutigt. Am Nachmittag setzte er seine Suche fort. Als er in einer
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