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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Buchhandlung fragte, die größer als üblich war und in der Via del Duomo lag, bediente ihn eine ungefähr vierzigjährige, rundliche Frau mit hellen Augen und blonden Locken, die unter ihrer Haube hervorglitten. Sie lächelte schelmisch, als sie Joans sonderbare Bitte hörte und rief einen Mann, der wohl der Eigentümer war.
    Der Mann hatte braune Augen, aber das gleiche rundliche und gemütliche Aussehen wie seine Frau. Als er in den Laden kam, beeilte er sich, seine Glatze mit einer großen Mütze zu bedecken.
    Aufmerksam hörte er sich Joans ungewöhnliche Bitte an, lächelte ironisch, machte eine theatralische Geste und begann zu deklamieren: »Der Magier spricht: ›Erfahren will ich, wer diese Dame ist, und was sie denkt.‹ – ›Angelica heißt sie mit wahrem Namen, und‹, sagt der Teufel, ›sie will Euren Tod.‹«
    Sofort erkannte Joan die Verse aus dem
Verliebten Roland
.
    »Ihr seid es!«, rief er gerührt. »Ihr seid der Buchhändler!«
    Der Mann führte ihn in eine Geschäftsstube hinter dem Laden. Sie lag vor dem Eingang zu einigen großen Räumen, die offenbar Werkstätten waren. Dort gab es einen Tisch und zwei Stühle, und außer am Fenster, das mit einer das Licht dämpfenden Gardine bedeckt war, standen an allen Wänden mit Büchern vollgestellte Regale.
    »Antonello de Errico, zu Euren Diensten«, stellte sich der Mann mit einer leichten Verbeugung vor.
    »Joan Serra von Llafranc«, sagte der Junge und erwiderte die höfliche Geste.
    »Sobald ich Euren Akzent und Eure Frage hörte, wusste ich, wen ich vor mir hatte«, sagte er lächelnd. »Mosén Bartomeu Sastre hat mir einen Brief und Geld geschickt und Eure Ankunft angekündigt. Er schreibt, er habe einen zweiten Brief zu der Galeere geschickt, doch er zweifle daran, dass er die
Santa Eulalia
erreiche, bevor Ihr mich findet.«
    »Gott sei Dank!«, rief Joan erleichtert. »Wo ist sie?«
    Antonello lachte fröhlich: »Ach, der ungeduldige Verliebte!«, antwortete er ruhig. »Ich fürchte, verliebter Roland, dass Ihr Euch beherrschen müsst. Eure Angelica ist eine verheiratete Frau.«
    »Das weiß ich!«
    »Ihr Ehemann ist ein guter Kunde. Es wäre nicht passend, wenn ich ihn verriete.«
    Joan fuhr erschrocken zusammen. Er merkte, wie ihn kalter Schweiß mitten im August überströmte. Er hatte einen so langen Weg zurückgelegt! Und wenn sich dieser Mann weigerte, ihm zu sagen, wo er Anna finden konnte? Er dachte einen Moment daran, sich auf ihn zu stürzen und ihn mit vorgehaltenem Dolch zum Reden zu zwingen. Doch erinnerte er sich an den Auftrag des Admirals.
    »Ich kann ein besserer Kunde sein!«, rief er. »Ich kaufe viele Bücher bei Euch!«
    Antonello lachte abermals.
    »Gut, reden wir also von Geschäften.«
    Der Mann verfügte über eine große Auswahl von Bänden, sowohl Handschriften als auch Druckwerke. Einige hatte er selbst verlegt, denn außer der Buchbinderwerkstatt besaß er auch eine Druckerei. Zu den eingelagerten Büchern gehörte, wie Joan überrascht feststellte, ein Exemplar der Druckausgabe des
Weißen Ritters Tirant lo Blanc
von 1492 , jedoch nicht der zweite Band des
Verliebten Roland
. Allerdings sagte der Mann, in ein paar Stunden werde er den Band im Laden haben, denn er kenne einen Kollegen, der einige Exemplare verwahre. Joan bestellte weitere vier Bücher. Der Mann rechnete zusammen und sagte: »Das macht fünfundzwanzig Dukaten.«
    Joan hatte die Bücher sorgfältig geprüft. Es waren Druckwerke, was sie viel günstiger machte, doch sie hatten einen ausgezeichneten Ledereinband, der für ein langes Leben sorgen würde. Er rechnete aus, dass fünfundzwanzig neapolitanische Dukaten den Gegenwert von sechsundzwanzig barcelonesischen Pfund und fünf Sueldos darstellten. Noch erinnerte er sich an die Preise aus der Zeit, als er selbst Bücher hergestellt hatte. Ihm schien, dass der Buchhändler zu viel verlangte, aber er wollte auch nicht allzu sehr feilschen.
    »Es sollen dreiundzwanzig sein.«
    »Es ist nicht gut für Euch, den Preis herunterzuhandeln«, entgegnete der Neapolitaner, ohne dass er aufhörte zu lächeln. »Der Admiral wird auch noch den Preis senken wollen, und am Ende kann das Geschäft scheitern. Vierundzwanzig, und dabei bleibe ich.«
    »Einverstanden. Aber sagt mir, wo Anna lebt.«
    »Jetzt ist sie die
Signora
Anna di Lucca«, antwortete der Mann.
    »Anna di Lucca!«
    »Sie lebt in einem Palast, zwei Straßenecken weiter oben.« Der Buchhändler machte eine betrübte Miene. »Aber

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