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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Händen zudeckten. Ihre Blicke waren unstet und ängstlich, denn jeder Ungehorsam wurde unverzüglich mit Peitschenhieben bestraft. Man behandelte sie wie eine Ware. Nur mit den schönsten Frauen ging man einigermaßen schonend um; die Interessenten betasteten sie allerdings und untersuchten sie, als wollten sie Maultiere kaufen. Die Schreiber registrierten stets aufmerksam, wie dort die Angebote entgegengenommen wurden. Dann legte man die Preise fest, auf die der Statthalter seine Steuern und die Kaufleute ihre Gewinne aufschlugen.
    Joan sah den Admiral und den Kapitän nicht auf dem Markt. Diese menschlichen Waren, die nur ein paar Tage zuvor freie Personen gewesen waren, wurden vom Offizier Torrent übergeben. Ihn begleitete eine Gruppe, die aus Soldaten, Schreibern und Aufsehern der Galeeren bestand. Manche Mädchen waren schön, doch Joan hielt sich nicht damit auf, sie zu betrachten, sondern verabschiedete sich vom Steuermann. Er musste ständig an seine Mutter, seine Schwester und Elisenda denken, und es drehte ihm den Magen um, Zeuge dieser entwürdigenden Behandlung zu werden. Er fürchtete, dass er schließlich einen von diesen Gaffern verprügeln würde, die sich mit lüsternen Blicken an die Sklavinnen wandten und versuchten, sie zu berühren, wenn man sie herein- oder hinausbrachte.
     
     
    Als er auf die Galeere kam, holte er das Buch heraus, das er unter einem kleinen, verschiebbaren Brett versteckt hatte.
    »Welchen Preis hat ein Leben?«, schrieb er. »Welchen Preis hat die Freiheit? Vilamarí raubt den Menschen das Leben und die Freiheit. Eines Tages wird er für seine Verbrechen bezahlen.«

79
    I n dieser ruhigen und warmen Nacht segelte die Flotte am Golf von Tarent vorbei. Die Galeerensträflinge erholten sich, und außer dem Rudergänger und den Ausguckposten schliefen alle auf der
Santa Eulalia
. Nur Joan konnte keinen Schlaf finden, weil ihn seine Ungeduld quälte.
    Endlich würden sie nach Neapel gelangen. Die Stadt war dreimal größer als Barcelona. Es würde nicht leicht sein, Anna zu finden. Sie war nun schon eine verheiratete Frau, und Joan fragte sich halb ängstlich, halb hoffnungsvoll, ob sie ihn immer noch liebte.
    Die Hängematten der Offiziere schaukelten sanft auf dem Kampanjedeck. Joan genoss nicht dieses Privileg, doch er war mit dem Bettsack zufrieden, den er nachts auf den Boden legte. Noch erinnerte er sich an das harte Deck, auf dem sich die Ruderknechte um Schlaf bemühten. Im Vergleich dazu kam ihm seine Bettstatt wie ein Luxus vor.
    Es war eine Nacht mit zunehmendem, beinahe schon vollem Mond. Joan stand ruhelos auf und lief vorsichtig auf dem Mittelgang zum Bug. Es war schwer, Geräusche auf den Planken zu vermeiden. Er wollte nicht den Schlaf der Ruderknechte stören, die an beiden Seiten des Mittelgangs lagen. Viele schnarchten, einer hustete, ein anderer redete im Schlaf, und bei jeder Bewegung klirrten die Ketten, die sie mit dem Schiff verbanden. Er kam zum Seitengang am Bug. Dort standen seine Geschütze, und er streichelte die kalte Bronze einer Feldschlange. Dann ging er zum Rammsporn, der sich am Ende der Galeere erhob und den man zum Entern feindlicher Schiffe benutzte. Dort setzte er sich hin und sah zu, wie der Bug das dunkle Wasser durchschnitt, das manchmal silbern aufschimmerte. Er blickte zum Himmel hoch, dorthin, wo der Mond schien, und erkannte, dass es sein Licht war, das einen silbernen Weg im Meer zog, der über die Wellen auf das Schiff zulief.
    »Guten Abend, Joan Serra von Llafranc.«
    Der Junge fuhr erschrocken zusammen. Er hatte die Stimme erkannt. Als er sich umdrehte, sah er den Mann, der wenig entfernt von ihm stand und ihn betrachtete.
    »Guten Abend, Herr Admiral.«
    Der Mann setzte sich auf eine kleine Bank im Seitengang und blickte zum Rammsporn hinüber. Nachdem er tief durchgeatmet und das Meer und den Mond betrachtet hatte, sagte er: »Das ist schön.«
    »Ja.«
    Vilamarí schwieg, während sein Blick über das Wasser, den Himmel und den Horizont glitt. Joan tat das Gleiche.
    »Weißt du was, Junge?«, sagte der Mann nach einer Weile. »Du darfst den Löwen nicht beschuldigen, grausam zu sein, wenn er ein Schaf oder eine Gazelle tötet.«
    Joan starrte ihn überrascht an, doch er sagte nichts und wartete, dass der Admiral deutlicher wurde.
    »Der Löwe muss dafür sorgen, dass seine Jungen überleben. Gott hat ihm Klauen, Zähne und einen Magen gegeben, der nur Fleisch verträgt. Wenn er tötet, tut er es nicht aus Hass. Das Leiden

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