Am Horizont die Freiheit
immer lieben wird«, erklärte der Buchhändler. »Das sind sehr gute Neuigkeiten. Schlechte wären es, wenn sie sagte, dass sie ihren Mann liebt.«
»Ja, aber sie verabschiedet mich, schickt mich fort und will, dass ich mir eine andere Frau suche«, klagte Joan.
Antonello las den Brief noch einmal und dachte eine Weile nach.
»Hier gibt es etwas Sonderbares, das ich nicht ganz verstehe«, meinte er schließlich.
»Was versteht Ihr nicht?«
»Es gibt viele verheiratete Frauen in Neapel und anderen Orten, die ihre Ehemänner nicht lieben. Und diese würden nicht ihren Geliebten verabschieden, wenn ihre Liebe erwidert wird.« Antonello kratzte sich am Kopf. »Du musst mit ihr reden.«
»Das möchte ich. Aber wie?«
»Indem du sie herbestellst.«
»Aber …«
»Tu, was ich dir sage.«
Als Anna am nächsten Tag zusammen mit ihrer Haushälterin herauskam, entdeckte sie Joan, der wie so oft auf sie wartete, nur dass er diesmal ein zugeklapptes Buch in der Hand hielt. Da kam ein junger Bursche vorbei, zog heftig am Rock der Anstandsdame und rannte davon. Die Frau schrie auf, weil sie glaubte, dass man sie bestohlen hatte. Sie lief dem Jungen nach, blieb jedoch unverzüglich stehen, als sie begriff, dass sie ihn niemals einholen würde. Sie betastete den Gürtel und suchte nach ihrem Beutel. Er war noch da. Sie seufzte erleichtert auf und wandte sich zu Anna um.
Während die Frau abgelenkt war, hatte Anna eine leichte Berührung an der Schulter gespürt, und als sie hinsah, erblickte sie Joan mit einem Buch, das so geöffnet war, dass nur sie darin lesen konnte.
»Kommt morgen in die Buchhandlung. Ich flehe Euch an.«
Als Anna und ihre Haushälterin in Antonellos Laden kamen, geleitete dieser sie ins Innere, um ihnen mit der ganzen ehrerbietigen Höflichkeit, die einer guten Kundin wie
Signora
Lucca zukam, ein paar neueingetroffene Bücher zu zeigen.
Er legte die Bücher auf einen Tisch und bat die Frauen, sie sich anzusehen, während er einen Auftrag erledigen wollte. Die beiden Frauen blätterten die Bände durch, während er mit mehreren Tintenfässern hantierte, die in einem hohen Regal standen. Mit einem lauten Schrei fiel ihm dabei eines aus der Hand, und die rote Tinte, die es enthielt, ergoss sich über die Haushälterin. Mit dem Geschick eines vollendeten Schauspielers betete er einen ganzen Schwall Entschuldigungen herunter. Er versicherte, wenn sie schnell handelten, werde kein Fleck zurückbleiben, und zerrte die Haushälterin eifrig in die Werkstatt. Dort wurde sie bereits von der Ehefrau Antonellos erwartet. Diese rief nach einer Dienerin, die helfen sollte, die beschmutzte Kleidung auszuziehen und sofort in eine Flüssigkeit zu tauchen, die den Schaden beseitigen sollte. Sie führte sie in ein Zimmer im oberen Stock, wo die Familie lebte. In diesem Zimmer blieb die nur mit Unterwäsche bekleidete Haushälterin gefangen. Die Buchhändlerin tröstete sie mit ihren Entschuldigungen, die sogar noch einfallsreicher und farbiger waren als die ihres Mannes.
Anna empfand keine allzu große Zuneigung zu dieser Frau, die sie als Gefängniswärterin betrachtete und mit der sie wenig gemeinsam hatte. Als sie sich von der ersten Überraschung erholt hatte und das Theaterspiel durchschaute, hielt sie mühsam das Lachen zurück. Nachdem Antonello hinausgegangen war, blieb sie allein im Laden, jedoch nur für einen Augenblick. Plötzlich tauchte Joan auf, nahm sie an der Hand und führte sie in das Arbeitszimmer, das der Buchhändler hinter dem Laden hatte. Er schloss die Tür.
Sie hielten sich weiter an den Händen und blickten sich lange Zeit an. Joan merkte, dass ihre Hände wohltuend warm und seine eigenen kalt waren. Er war gleichzeitig ungeheuer angespannt und unermesslich glücklich. Anna hatte ihm geschrieben, dass sie ihn liebte, doch vielleicht hatte sie es nur getan, um seinen Schmerz zu lindern. Liebte sie ihn nach so langer Zeit wirklich? Schweigend betrachtete er ihre Augen und dachte, dass sie die schönste Frau der Welt war. Auf einmal, ohne dass sie ein Wort sagten, vereinigten sie sich in einer innigen Umarmung. Joan merkte, wie er mit ihr zu einem einzigen Körper verschmolz, während sie von einer wonnevollen Energie eingeschlossen wurden. Es war ein seliger Augenblick, den Joan gern in alle Ewigkeit ausgedehnt hätte und den gerade das Bewusstsein, dass er kurz war und sich vielleicht nie wiederholen würde, so schmerzlich und so eindringlich machte.
Ohne dass sich ihre
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