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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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besuchen. Doch sonntags geht sie zur Elfuhrmesse in die Kathedrale.«
    Joans Gesicht leuchtete auf. Am Sonntag! Er könnte sie am Sonntag sehen!
    »Endlich kann ich sie sehen!«, rief er mit einem strahlenden Lächeln.
    »Ja, aber zusammen mit ihrem Mann«, erinnerte ihn Antonello und trübte seine Freude.
    Das Lächeln aus Joans Gesicht verschwand. Wenn er sie sah, würde er auch den Mann kennenlernen, der sie besaß. Düstere Gedanken kamen ihm in den Sinn. Vielleicht hatte sie in dieser Zeit aufgehört, ihn zu lieben, oder sie war schwanger, oder sie hatte sich in ihren Gatten verliebt … Antonello prüfte den nunmehr ernsten Gesichtsausdruck seines Besuchers. Aus Joans anfänglicher Begeisterung waren Furcht und Mutlosigkeit geworden.

86
    D er Admiral behielt die Galeere, ihre ganze Fracht und die Ruderknechte. Für Offiziere und Mannschaft hätte er üblicherweise ein Lösegeld verlangt, doch er beschloss, sie auf dem Landweg Richtung Vatikan zu schicken. König Ferdinand von Spanien hatte ihm befohlen, die Franzosen nicht zu provozieren. Darum beschloss er, die Gefangenen zum Papst zu schicken, denn offiziell kämpfte er ja in dessen Namen. Außerdem hatten sie den dreimonatigen Vorschuss Alexanders  VI . noch nicht vollständig abgeleistet, und theoretisch stand er weiter in dessen Diensten. Joan schrieb den Brief, in dem Vilamarí nach mehreren höflichen und ehrerbietigen Formulierungen dem Heiligen Vater mitteilte, er habe sich, wie es ihr Vertrag erlaubte, gezwungen gesehen, seinen Auftrag aufzugeben, weil die Kräfte des Feindes offenkundig überlegen waren. Mit der Übergabe der Gefangenen werde die Rechnung ausgeglichen, denn er verzichte auf sein Lösegeld.
    Als Joan dem Steuermann davon erzählte, lachte er.
    »Er ist ein alter Fuchs«, sagte Genís. »Er überträgt dem Papst das Problem und stellt die neue Galeere in den Dienst König Ferdinands, falls er sie braucht. Doch er wird sie von seinem Eigentum unterhalten.«
    Joan erfuhr, dass Beuteverteilungen strengen Vorschriften folgten, wenn der Fang offiziell gekapert wurde. Die eine Hälfte war für den Monarchen, und die andere wurde unter der Mannschaft verteilt. Natürlich verschwieg man Überfälle auf Fischerdörfer, von solchen Verteilungen blieb der König ausgeschlossen. Vom Mannschaftsanteil erhielt Vilamarí die Hälfte, und Torrent als Offizier der Schiffstruppen, die sich beim Entern der größten Gefahr aussetzten, hatte das Recht, als Erster Güter im Wert von vier Prozent von der anderen Hälfte auszusuchen. Danach kamen die Kapitäne mit drei Prozent, und so ging es weiter bis zum letzten Mitglied der Mannschaft. Auf die Galeerensträflinge entfiel nichts. Joan ruderte zwar nicht mehr, doch bei Verteilungen gehörte er immer noch zu dieser Kategorie. Was die französische Galeere betraf, so konnte man nur den Besitz der Mannschaft verteilen, und Vilamarí schuldete seinen Männern den Anteil, der ihnen vom Wert des Schiffs und der Galeerensklaven zustand. König Ferdinand von Spanien nahm nichts ein, weil man das Schiff im Namen des Papstes gekapert hatte, und auch dieser erhielt nichts, bekam aber dafür die Gefangenen, die für ihn vielleicht eine noch größere Last als für Vilamarí waren.
     
     
    Der Admiral begann unverzüglich, die
Santa Eulalia
und das gekaperte französische Schiff auszubessern. Er bezahlte es mit dem, was vom Geld des Papstes übrig war, und mit der Summe, die er mit dem König von Neapel ausgehandelt hatte. Er brauchte eine neue Mannschaft und außerdem achtzig Marineinfanteristen, die er rekrutierte, indem er nach Spaniern, Sizilianern und Neapolitanern suchen ließ, die das Haus Aragonien unterstützten.
    Da erfuhr Joan die große Neuigkeit. Der Admiral ernannte Pau de Perelló zum Kapitän des gekaperten Schiffes, das er nach der Ausbesserung übernehmen sollte. Und sein Freund, Steuermann Genís de Solsona, wurde zum Kapitän der
Santa Eulalia
befördert, wie es der Logik des Admirals entsprach. Auf dem Flaggschiff war der Admiral der höchste Offizier, und er unterrichtete den neuen Kapitän.
    Joan konnte ein neues Exemplar von
Tirant lo Blanc
in Antonellos Buchhandlung kaufen und danach dem Admiral, der schon während der Fahrt nach diesem Buch gefragt hatte, endlich mitteilen, dass er es gefunden habe. Vilamarí wollte es sehen, und als er es vor sich hatte, widmete er ihm einen misstrauischen Blick. Joan spürte, wie ihm die Beine schwach wurden. Er wusste ja, dass zwei Ledereinbände nie

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