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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Innico d’Avalos, der neapolitanische Edelmann mit dem sonderbaren Medaillon.
    Der junge Mann war maßlos erleichtert, als er sah, wie ihm die Posten den Weg freigaben. Innico trug eine Rüstung, und sein weißer Bart betonte sein ernstes Gesicht.
    »Du musst warten, bis die Monarchen an Bord gegangen sind«, sagte er.
    »Danke«, antwortete Joan.
    Zusammen mit Innico lief er zum Hafen. Er sah, wie der junge König Ferrandino – mit seinem Onkel Federico, der Königinwitwe Johanna, der Schwester des spanischen Königs, und den übrigen Mitgliedern der Königsfamilie – an Bord der
Santa Eulalia
ging und von Vilamarí und Genís Solsona empfangen wurde. Joan schlüpfte zum Bug, nachdem er einen Gruß mit Genís gewechselt hatte. Das Kampanjedeck wimmelte von Angehörigen der Königsfamilie. Dies war nicht der richtige Augenblick, Erklärungen abzugeben. Er begrüßte die Seeleute, die die Geschütze bedienten, und ließ sich erschöpft auf ein paar Taue an der Kanone fallen.
    Der Flotte Vilamarís hatten sich zehn neapolitanische Galeeren angeschlossen, die Ferrandino treu geblieben waren. Dazu kam eine große Zahl von Segelschiffen. Als sie nach Ischia ausliefen, stiegen mehrere Rauchsäulen aus der Stadt Neapel auf: die einen von den Bränden in den Palästen derjenigen, die der Dynastie Aragonien treu geblieben waren, und andere von den gewaltigen Flammen, die die Schiffe im Hafen verschlangen. Es war ein erschütternder Anblick, der in Joan widersprüchliche Gefühle hervorrief. Diese Flammen und dieser Rauch bezeichneten das Ende einer Epoche. Es zerriss ihm das Herz, wenn er daran dachte, wie viel Zeit vergehen würde, bis er Anna wiedersehen könnte. Die kalte und vertraute Berührung der Geschütze vermittelte ihm andererseits Frieden und Sicherheit. Das hier war sein seltsames Zuhause.
    Noch spürte er die Wärme von Annas Körper an seiner Brust, und um sie zu bewahren, kauerte er sich zusammen. Trotz des Rüttelns des Schiffes und der harten Planken ließ er sich bald erschöpft vom Schlaf überwältigen. Nach kurzer Zeit wurde seine Miene sanfter, weil er im Traum lächelte.

92
    D as Krachen eines Kanonenschusses, dem ein zweiter folgte, ließ Joan erschrocken hochfahren.
    »Macht die Geschütze bereit!«, hörte er den Kapitän rufen. »Feuert auf das Kastell!«
    Sie waren nach Ischia gekommen, doch man empfing sie nicht so, wie sie es erwartet hatten. Aus der Festung eröffnete man das Feuer auf die Schiffe. Sie befand sich auf einem Felseneiland, das durch eine Brücke mit der Hauptinsel verbunden war. Von ihren Zinnen prangten noch die neapolitanischen Fahnen, die denen der Flotte glichen. Der junge König Ferrandino fluchte über diesen neuen Verrat.
    Obwohl Joan noch schlaftrunken war, konnte er die Fontänen sehen, die die Kugeln im Meer hochwirbelten. Instinktiv berechnete er die Feuerkraft, den Schusswinkel, das Kaliber und die Entfernung der feindlichen Artillerie.
    »Ladet nur die Feldschlangen!«, rief er seinen Seeleuten zu. »Mit massiven Eisenkugeln!«
    Er lief zu seinem Freund, dem Kapitän, der auf dem Mittelgang stand.
    »Wenn wir diese Entfernung beibehalten, schlagen die Kugeln unserer Feldschlangen in ihre Mauern ein, aber ihre Kanonen erreichen uns nicht«, sagte er.
    Genís unterrichtete den Admiral. Dieser sprach mit König Ferrandino, dessen Onkel Fadrique und Innico d’Avalos, die vom Kampanjedeck der Galeere zum Kastell hinüberblickten. Danach erteilte Admiral Vilamarí den übrigen Schiffen Anweisungen mit dem üblichen Wimpelsystem. Die spanischen Galeeren mit ihren Artilleristen, die nach Joans Vorschriften ausgebildet waren, sollten das Kastell vom Meer aus beschießen, während die neapolitanischen Schiffe Truppen an Land setzen sollten, um den Belagerungsring vom Land aus zu schließen. Die Schaluppe der
Santa Eulalia
brachte Innico d’Avalos zur Küste, außerhalb der Schussweite der Festungskanonen, damit er die Landstreitkräfte befehligen konnte.
    Joan irrte sich nicht. Die Feldschlangen der Galeeren trafen mit voller Wucht die Mauern und Türme des Kastells. Die Kanonen der Festung dagegen trafen nur ins Meer, vor die Buge der Flottillenschiffe. Joan war stolz auf seine Arbeit. Nur sehr wenige Schüsse gingen daneben, und die Befeuerung wurde schließlich unerbittlich.
    Am Mittag wehte eine weiße Fahne von den Festungszinnen. Die neapolitanischen Soldaten hatten gegen ihren Kommandanten Giusto di Candida gemeutert. Sie übergaben Innico die Festung und

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