Am Horizont die Freiheit
sich in der Engelsburg ein, begleitet von seiner valencianischen Wache.
Am 28 . Dezember marschierten die Franzosen in Rom ein, und am 31 . des Monats kam König Karl VIII . Die Römer, die das großartige militärische Aufgebot bewunderten, jubelten ihm zu.
König Alfons II . war bei seinen Untertanen nicht beliebt, und um das Königreich zu retten, dankte er zugunsten seines Sohnes Ferdinand II . ab, der erst fünfundzwanzig Jahre alt war und den Kosenamen Ferrandino erhalten hatte. Doch diese Geste verhinderte nicht die Niederlage der neapolitanischen Truppen an mehreren Fronten und den Verlust der Städte Capua und Gaeta. Mitte Februar ließ sich die Belagerung der Stadt Neapel nicht mehr abwenden. Die Bevölkerung fürchtete sich allerdings mehr vor einer Hungersnot als vor den Franzosen und hortete alle haltbaren Nahrungsmittel, vor allem Kichererbsen, Bohnen, Reis, Weizen und Linsen. Die Märkte wurden kaum beliefert, und alle machten sich auf den Anbruch harter Zeiten gefasst.
»Ferrandino kann nicht viel länger standhalten«, hörte Joan von seinem Freund Genís, dem früheren Steuermann und jetzigen Kapitän der
Santa Eulalia
. »Seine Garnisonen im Landesinnern ergeben sich kampflos. Wir haben Vorräte für zwei Wochen auf den Galeeren, und wir werden die Anker gerade dann lichten, wenn die Franzosen in Neapel einziehen. Also gibt es keinen Urlaub mehr.«
»Genís, bitte«, bat Joan. »Lass mich einen Tag und eine Nacht an Land.«
»Eine Nacht?« Der Kapitän lächelte. »Hat deine Dame endlich ja gesagt?«
»Nein, noch nicht. Aber das ist meine letzte Gelegenheit. Gib mir Urlaub, bitte.«
»Offiziell darf ich das nicht«, entgegnete er mit bekümmerter Miene. »Ich weiß nicht, wann wir auslaufen. Der Befehl kann in jedem Moment kommen. Wenn du bei der Abfahrt hier bist, drücke ich ein Auge zu, aber wenn nicht, bleibst du an Land, und man wird dich als Deserteur ansehen. Wenn dich die Franzosen fangen, geht es dir schlecht, doch unsere Leute werden dich hängen.«
»Ich nehme das Wagnis auf mich.«
Bei ihrem Stelldichein in der Buchhandlung flehte Joan auf Knien, während Anna in Tränen ausbrach. Vielleicht sei dies ihre letzte Begegnung, vielleicht sterbe er im Krieg, und sie höre nie wieder von ihm. Das sei nur eine Nacht, die letzte Nacht, und er wolle sie mit ihr verbringen.
Riccardo Lucca hatte Neapel vor mehreren Tagen verlassen, um sich den französischen Truppen anzuschließen, und sie war allein mit den Angestellten. Endlich gab Anna nach.
»Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr nicht mehr von mir verlangt, als ich Euch hier gebe«, sagte sie. »Nichts wünsche ich so sehr, als die Nacht gemeinsam mit Euch zu verbringen, Joan. Ich liebe Euch. Aber ich habe Treue geschworen, und das möchte ich um jeden Preis einhalten.«
»Ich werde tun, was Ihr von mir verlangt.«
»Und Ihr müsst mir helfen, wenn mein Wille nachgibt. Versprecht es mir!«
Er nickte zustimmend. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er war überglücklich.
Joan kletterte am Seil hoch. Ringsum war es vollständig dunkel. Er kletterte mit solchem Ungestüm, dass er sich beinahe den Kopf an der Jalousie gestoßen hätte. Dort musste er sich am Gebälk und an einem zweiten Seil festhalten, das Anna ihm hinhielt, damit er durch das große Fenster hineingelangen konnte.
Im schwachen Licht einer Öllampe umarmten sich die beiden stürmisch, bis es ihnen den Atem verschlug. Sie befanden sich in einem Gästezimmer, und nachdem sie das Seil hereingeholt hatten, wollte Joan zum ehelichen Schlafzimmer hinabsteigen. Das aber lehnte Anna entschieden ab. Dort war es nicht nur gefährlicher, sondern es erschien ihr auch eine Respektlosigkeit ihrem Gatten gegenüber zu sein.
Es wurde eine wunderschöne, aber auch leiderfüllte Nacht. Joan genoss die Küsse, die Umarmungen, die sanfte Berührung ihrer Rundungen. Doch er hatte das Gefühl, vor Verlangen zu sterben, und wenn seine Hand unter ihren Rock rutschte, hielt sie ihn in der Höhe des Knies zurück.
»Denkt an Euer Versprechen.«
»Ich begehre Euch«, stöhnte er.
»Ich Euch auch. Aber ich muss eine Verpflichtung einhalten.«
Joan fügte sich mit einem schmerzlichen Seufzer. Allerdings sagte er sich, dass er wenigstens ihre Wärme, ihre Liebe, ihre Gegenwart spürte. Allein dies war schon ein Segen des Himmels, und er musste dankbar sein und es genießen, anstatt sich zu beklagen, weil er sie nicht ganz besitzen durfte. Die Stunden vergingen, aber
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