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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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»Die Franzosen dringen ein! Neapel wird kampflos fallen.«
    »Die Flotte!«, rief Joan und steckte den Degen ein. »Ich muss mich beeilen!«
    Schon rannte er die Treppe hinunter.
    »Geh mit Gott, Sohn!«, rief ihm der Buchhändler vom Fenster aus nach. »Ich wünsche dir Glück. Und denk an das, was ich dir gesagt habe!«

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    J oan rannte zum Hafen und drängte die Gruppen beiseite, die auf den Straßen diskutierten oder mit ihren Habseligkeiten flohen, weil sie eine Möglichkeiten suchten, auf dem Seeweg zu entkommen. Endlich erblickte er die imposante Masse des Castel Nuovo, zu deren Füßen sich die Mole erstreckte. Er lief noch schneller, während er in der kalten Morgenluft Dampfwolken ausstieß. Schwitzend und atemlos kam er zum Hafendamm, und dort blieb er entmutigt stehen. Die Galeeren der Flotte waren nicht mehr da. Sie waren abgefahren.
    Er sah mehrere Soldaten, die brennende Fackeln trugen. Sie sprangen auf die an der Mole ankernden Schiffe und zündeten die eingezogenen Segel und alles leicht Brennbare an. Sie stachen jeden nieder, der dies verhindern wollte. Der König hatte befohlen, die Schiffe zu zerstören, damit sie nicht den Franzosen in die Hände fielen. Innerhalb weniger Augenblicke brannten die Schiffe, darunter mehrere schöne neapolitanische Galeeren, wie riesige Fackeln. Joan war völlig niedergeschlagen. Er kam sich verloren und schutzlos vor, und in seinem Kopf wurde es allmählich zur Gewissheit, dass die Flotte abgefahren war und ihn zurückgelassen hatte. Er lief langsam und entmutigt über die Landungsbrücke aufs Meer hinaus und betrachtete die Flammen, die die vertäuten Schiffe verzehrten. Er begriff, dass diese Galeere, die er so sehr hasste, als er an eines ihrer Ruder angekettet war, sich zu seinem Zuhause verwandelt hatte und dass er es soeben verloren hatte. Was würde nun aus ihm werden? Die Soldaten riefen ihm zu, an Land zurückzukehren. Inzwischen breiteten sich die Brände aus. Sie erhellten den grauen Morgen und schleuderten unheilvolle Funken ins Meer, das den Widerschein der Flammen zurückwarf. Wenn er nicht sofort weglief, würde er von ihnen verschlungen werden. Als er sich umdrehte, um zu entkommen, richtete sich sein Blick auf die andere Seite der Bucht, die den Hafen von Neapel bildete. Dort, auf einer kleinen Insel, die das westliche Ende der Stadt bezeichnete, erhob sich das mächtige Castel dell’Ovo.
    Zusammen mit vielen Segelschiffen hatte sich die Flottille rund um die Insel gesammelt. Noch war sie nicht ausgelaufen. Vielleicht konnte er sie erreichen … Joan rannte zu dem Platz am Castel Nuovo. Dann lief er durch die Straßen der Innenstadt, weil er versuchen wollte, den Steg zu erreichen, der diese Inselfestung mit der Küste verband. Er rannte verzweifelt und stieß die Leute beiseite, stolperte und wich den französischen Soldaten aus, die in Gruppen eindrangen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Er durfte die Galeere nicht verpassen! Er war schon ein Deserteur, und wenn er nicht an Bord der
Santa Eulalia
gelangen konnte, würde er gehängt werden.
    Das Castel dell’Ovo schien bereit, der Belagerung standzuhalten, und Joan stürzte auf den langen Steg, der über das Meer führte und die Insel mit dem Festland verband. Doch als er am Tor ankam, befahlen ihm die Wachposten, auf der Stelle stehen zu bleiben.
    »Ich muss an Bord der
Santa Eulalia
, ich bin ihr Artillerieoffizier!«, rief er ihnen zu.
    »Wir haben Befehl, niemanden hineinzulassen.« Sie zielten mit Armbrüsten auf ihn.
    »Ich muss an Bord meiner Galeere!«, wiederholte er nachdrücklich. »Sonst erklären sie mich zum Deserteur!«
    »Du darfst nicht hinein. Geh weg!«
    Joan blieb reglos stehen. Die
Santa Eulalia
ankerte an der kleinen Landungsbrücke des Kastells, und er konnte nicht zu ihr kommen.
    »Geh weg, wenn du nicht willst, dass wir auf dich schießen!«, drohten sie ihm.
    »Ich muss auf diese Galeere.«
    Die Armbrustschützen spannten ihre Waffen und richteten sie auf Joan.
    »Zum letzten Mal. Weg mit dir!«
    Er sah ein, dass sie ihn in wenigen Augenblicken mit ihren Pfeilen durchlöchern würden. Sie hatten strenge Befehle. Er blickte zum Wasser hinunter. Ob er hinschwimmen könnte? Er dachte, dass seine Chancen eins zu zehn stehen würden. Die Entfernung war ziemlich groß, das Wasser war eiskalt. Sicher würde er erfrieren, bevor er das Schiff erreichte.
    »Lasst den Jungen herein!«
    Joan blickte zum Tor, und sofort erkannte er den Mann, der den Befehl erteilt hatte. Es war

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