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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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de Cent, des »Rates der Hundert«, des Regierungsorgans der Stadt, seien von diesen Ratten bestochen worden und beschützten sie. Darum müssten die Leute die Gerechtigkeit in die eigene Hand nehmen.
    Joan wusste, dass in Barcelona beinahe keine Juden übrig geblieben waren, denn manche waren geflohen, andere hatten sich zum Christentum bekehrt. Felip spuckte auf den Boden, als er dies hörte, und erwiderte, die meisten Konvertiten seien falsche Christen, und auch ihre Stunde werde noch kommen.
    Er erklärte Joan, die Juden seien verpflichtet, einen an der Brust ihrer Kleidung aufgenähten, halb roten und halb gelben Stoffkreis und in der kalten Zeit besondere Mäntel zu tragen, die auf sie aufmerksam machten. Die meisten von denen, die man in Barcelona sah, besuchten die Stadt aus Geschäftsgründen. Ihr Aufenthalt war auf zwei Wochen beschränkt, und sie durften nur im öffentlichen Gasthof und nicht in Privathäusern absteigen.
    Auf der Straße schlossen sich ihnen weitere Lehrlinge an, bis sie mehr als zwanzig waren. Manche verbargen Stöcke unter ihren Mänteln, andere trugen Steine, und auch Joan bewaffnete sich mit einem kurzen Stecken. Als die Leute sie sahen, machten sie ihnen ängstlich Platz, und Joan hatte das angenehme Gefühl, zu einer mächtigen Gruppe zu gehören. Der große Bursche gab Anweisungen, und ein Junge rannte voraus. Als er zurückkam, berichtete er, vor dem Gasthof stehe eine Gruppe Juden und unterhalte sich. Sie liefen bis zur Straßenecke. Felip blickte hinüber, dann sagte er leise: »Da stehen sie. Ihr erkennt sie an den Bärten, den Stoffkreisen und ihren Mänteln. Wenn ich ›Los!‹ sage, rennen wir auf sie zu. Schreit nicht, bis wir über sie herfallen, und dann schlagt kräftig drein. Das aber nur einmal, und danach kehrt ihr ganz schnell zu eurer Arbeit zurück, als wäre nichts geschehen. Die Soldaten sind bestimmt nicht weit, und wenn sie einen von uns erwischen, setzen sie ihm übel zu. Verstanden?«
    Alle nickten zustimmend. Felip gab den Befehl und rannte los, die Übrigen hinterher. Joan entdeckte zwei Gruppen von Männern, die in der Sonne standen und plauderten. Sie schauten erschrocken, als sie erkannten, was geschah. Mehrere stießen einen Warnruf aus und versuchten, ins Innere des Gasthofs zu flüchten. Joan schwang seinen Stecken und verfolgte einen, der entkommen wollte. Da begann jemand zu schreien, und die Übrigen machten es ihm nach. Man schrie vor Wut, Schmerz, Hass und Angst, und dazu hagelte es Schläge. Joan holte sein Opfer ein, als es schon zur Gasthoftür gelangt war. Der Mann versuchte, sich zwischen den anderen durchzudrängen. Seine Kapuze war heruntergerutscht und ließ graue Haare sehen. Er war viel größer als Joan, doch der Junge konnte seinen Kopf mühelos mit dem Knüppel erreichen. Im letzten Augenblick lenkte er den Hieb allerdings zur Schulter des anderen ab und achtete darauf, dass er nicht allzu kräftig zuschlug. Ihm fehlte der Mut, dem anderen am Schädel zu treffen. Er hörte einen Klagelaut. Ohne im Lauf innezuhalten wendete er, um so schnell wie möglich von dort zu verschwinden. Sein Herz raste, doch er wollte sich beruhigen und gefasst zum Kloster laufen. Er musste sich normal benehmen.
    Als er zur Plaza de Santa Anna kam, hatte er seinen regelmäßigen Atem wiedergefunden, aber sein Geist blieb weiter von dem Rausch benebelt, den die aufwühlenden Erlebnisse hervorgerufen hatten. Er sagte sich, dass er wie die Älteren handeln konnte und dass er bewiesen hatte, ebenso mutig wie jeder andere zu sein. Dass er sich gewiss Felips Achtung errungen hatte. Doch seinem Gedächtnis war das Bild des Blutes eingebrannt, das einem der auf der Straße Liegenden aus dem Kopf sprudelte. Sein Gewissen warf ihm vor, dass diese Männer ihm und seiner Familie nichts getan hatten. ›Aber sie haben es Christus angetan‹, sagte er sich, um seine Gewissensbisse zu beruhigen.
    Am nächsten Tag klopfte ihm Felip auf die Schulter und lächelte.
    »Gut gemacht,
remensa
«, sagte er. »Aber beim nächsten Mal schlägst du kräftiger zu.«
    Er begriff, dass ihn Felip beobachtet hatte, obwohl der Angriff sehr schnell vor sich gegangen war. Trotzdem war Joan stolz, dessen Anerkennung erhalten zu haben.

23
    I n diesem Jahr war die Weihnachtszeit sehr traurig für die Jungen. Wie konnten sie ohne ihre Eltern und Schwestern fröhlich sein? Vor nicht einmal vier Monaten hatten sie alle gemeinsam in Llafranc gelebt, und damals glaubten sie, dass ihnen nichts

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