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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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sperrt er mich ein.«
    »Nein, bitte nicht!«, rief Joan.
    »Es tut mir leid. Aber wenn ich hinauskann, komme ich wieder zum Brunnen.«
    Joan wusste, dass Felip vor nichts mehr zurückschrecken würde, und wenn er könnte, würde er sich wieder an Anna vergreifen.
    »Nein. Zeigt Euch nicht wieder am Brunnen«, sagte er. »Ich komme zum Laden Eures Vaters und bleibe etwas entfernt stehen, damit er mich nicht sieht.«
    »Ich muss fort«, drängte das Mädchen.
    »Geht mit Gott.«
    »Ich auch«, sagte sie.
    »Auch was?«
    »Ich liebe Euch auch.«
    Und sie rannte davon. Joan hinkte zur Werkstatt zurück. Die Wunden machten ihm nichts mehr aus. Er spürte, wie sein Herz schneller und glücklich schlug.
    Als er eintrat, sahen ihn die Lehrlinge erwartungsvoll und die Meister und der Herr überrascht an. Ein triumphierendes Lächeln umspielte Felips Mund.
    »Was ist mit dir geschehen?«, fragte Mosén Corró, als er ihn so übel zugerichtet sah.
    »Ich bin hingefallen«, antwortete er. Das war die Antwort, die man unter solchen Umständen gab. Das gebot den Lehrlingen der Pakt des Schweigens.

35
    A m 30 . September feierten die Buchhändler ihren heiligen Schutzpatron Sankt Hieronymus. Es wurde nicht gearbeitet, und die Corrós besuchten zusammen mit den Leuten ihres Hauses eine Messe in der La-Trinitat-Kirche. Die Kirche stand auf dem Grundstück einer früheren Synagoge, die man beinahe hundert Jahre zuvor während des Überfalls auf das Judenviertel zerstört hatte. Die Kirche war im Jahre 1394 von einer Konvertitenbruderschaft erbaut worden. Es war kein Zufall, dass sich die Buchhändler in einer Konvertitenkirche zusammenfanden. Viele waren tatsächlich Konvertiten, und der bedrohliche Schatten der Inquisition zog sich über ihnen zusammen.
    Nach der Messe richteten die Corrós das Festmahl zu Ehren des heiligen Schutzpatrons aus. Im Hof wurde ein langer Tisch aufgestellt, und an ihn setzten sich Ramón Corró, seine Frau Joana, die Meister, die Lehrlinge und Abdalá, obwohl er ein Muslim war. Man war gutgelaunt, lachte und brachte ein paar Trinksprüche auf den Heiligen aus. Doch selbst bei dieser Gelegenheit entging Joan nicht den Bosheiten Felips.
    Danach holte er seinen Bruder im Santa-Anna-Kloster ab. Es war ein schöner Nachmittag, und er wollte einen Spaziergang durch die Stadt machen. Gabriel wusste, dass man in einer Werkstatt El Ravals eine große Glocke goss, und er bat seinen Bruder, mit ihm hinzugehen und sich das anzusehen. Den Jungen begeisterten diese riesigen Instrumente immer noch.
    Es war nicht weit, und Joan dachte, es könnte gewiss unterhaltsam sein, bei der Arbeit einer Zunft zuzuschauen, die sich so sehr von der seinen unterschied. Die Metallarbeiten hatten sich in Barcelona auf die andere Seite der Rambla verlagert, in den Bereich, der sich jenseits der zweiten Mauer entwickelte und den nun die dritte schützte. Dort drängte sich die Stadt nicht wie im alten Teil eng zusammen: Es gab Felder und freien Raum, und der Rauch und Lärm der Schmelzhütten war weniger lästig. Tallers war eine lange und gerade Straße, die ihrem Namen als »Straße der Werkstätten« alle Ehre machte, denn es gab sie dort überall, und sie beschäftigten sich beinahe alle mit der Metallverarbeitung. Viele Handwerker arbeiteten am Weg, und das metallische Hämmern war ständig zu hören.
    Die beiden Brüder sahen sich neugierig um. Kurz darauf entdeckten sie links von sich ein Tor, das über ein Haus mit einem großen Innenhof in Verbindung stand, wo mehrere Männer arbeiteten. Das war die richtige Stelle, und sie gingen hinein, ohne dass sie jemand daran hinderte. Der Ort wirkte eher wie ein kleiner Platz und nicht wie ein Hof, und an drei Seiten wurde er von den Gebäuden begrenzt, in denen sich die Gießerei und die Werkstätten befanden. Als sie ankamen, holten die Handwerker gerade eine große Glocke, die die Höhe eines Menschen überragte, aus der Form, in der sie sie gegossen hatten. Zwei große Steinbogen erstreckten sich über einen weiten Teil des Hofes, und jeder von ihnen hatte einen Eisenring an seinem oberen Schlussstein. Zwei Männergruppen zogen an Seilen, die durch die Ringe liefen und es ermöglichten, das große, an seinem Henkel befestigte Bronzeteil senkrecht hochzuheben. Inzwischen entfernte eine dritte Mannschaft die Reste der Form, weil man die Glocke auf ein Holzgerüst stellen wollte, um die Arbeiten des Abgratens und Polierens vorzunehmen.
    Die Brüder schlossen sich der Gruppe an, die

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