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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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obwohl alle wussten, wohin man sie bringen musste.
    Sie legten die Verletzten nacheinander, in der Reihenfolge, wie sie befreit wurden, auf die improvisierten Bahren, und eine Gruppe Männer brachte sie im Laufschritt in das Krankenhaus, das in der Calle del Carme lag, unmittelbar vor dem gleichnamigen Kloster, wo der heilige Eligius, der Schutzpatron der Bruderschaft, seinen Altar hatte. Als der vierte und letzte Verwundete gerettet war, ging der Meister mit ihnen. Die Menge folgte, und die Brüder blieben zurück, allein und erschöpft, ohne zu wissen, was sie tun sollten. Ihre Anspannung war so groß gewesen, dass sie sich jetzt völlig kraftlos fühlten. Sie beschlossen, ins Santa-Anna-Kloster zurückzukehren.
    Nachdem die meisten Mitglieder der Bruderschaft des heiligen Eligius die Verletzten begleitet hatten, gingen sie in die Kapelle des Heiligen, um zu beten. Als Joan und Gabriel über die Rambla kamen, begegneten sie trotzdem einem Mann, der sie erkannte.
    »Gut gemacht!«, sagte er zu ihnen.
    Joan notierte in seinem Buch: »Ich habe meinen Arm geübt, um mich an meinen Feinden zu rächen. Aber Gott wollte, dass er heute dazu diente, Leben zu retten.«

36
    J oan blieb bei seiner Gewohnheit, die Schänken zu besuchen, um weitere Auskünfte einzuholen. Er setzte sich an einen Tisch, von wo aus er den ganzen Schankraum überblicken konnte, beobachtete und hörte zu. Wenn sich das Gespräch lohnte, war er ganz Ohr, wenn nicht, suchte er sich ein Gegenüber, mit dem er plaudern konnte, und wenn der Seemann ein Ausländer war, versuchte Joan, sich mit ihm in seiner Sprache zu verständigen. Manchmal konnte er es nicht vermeiden, etwas zu trinken, und nachdem er sich zweimal auf der Straße fürchterlich übergeben musste, lernte er es, seine Grenzen zu erkennen. Er besuchte die Schänken nicht, um zu trinken, sondern weil er etwas herausbekommen wollte, und die Gastwirte schätzten ihn, denn er war ein angenehmer Stammkunde.
    Was er in Sitges erfahren hatte, veränderte ihn. Sein Groll wuchs und erzeugte eine kalte Wut, eine unterdrückte Aggressivität. Allerdings wusste er nun, dass er auf der richtigen Spur war. Er kam zu dem Schluss, dass sich seine Familie in Italien befinden musste. Doch die Informationen, die er brauchte, würde er nur von den Seeleuten des Admirals erhalten, und er wartete daher begierig auf die Rückkehr der Flotte. Solange sie weit entfernt mit den Türken kämpfte, würde er sich besonders um italienische Seeleute kümmern. Er interessierte sich für die politische und wirtschaftliche Lage und besonders für die Wege des Sklavenhandels. Er merkte sich alle möglichen Angaben, vor allem den Wortschatz und die unterschiedlichen Akzente der italienischen Sprachen. Er würde seine Familie finden und endlich das Versprechen einlösen, das er seinem Vater gegeben hatte.
    Ein paar Tage später fragte man in der Buchhandlung nach ihm. Es war der Glockengießer.
    »Junge, es hat mich viel Mühe gekostet, dich zu finden«, sagte er und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ihr seid fortgegangen, ohne dass wir euch danken konnten.«
    »Wir brauchten keinen Dank. Als wir im Hospital gefragt haben und sie uns erzählten, dass alle gerettet sind, haben wir uns sehr gefreut.«
    »Ja. Dem heiligen Eligius, dir und deinem Bruder ist es zu verdanken, dass es bei ein paar Knochenbrüchen geblieben ist, die sich heilen lassen.«
    »Das freut mich.«
    »Wir stehen in eurer Schuld. Wenn wir euch bei etwas helfen können, müsst ihr nur darum bitten.«
    Joan dachte nach. Die Eligius-Bruderschaft, zu der beinahe alle Zünfte gehörten, die mit Metall und Feuer arbeiteten, war sehr mächtig, doch ihm fiel nichts ein, wobei sie ihnen bei der Suche nach ihrer Familie helfen könnten. Dann dachte er an Gabriel und sagte: »Könntet Ihr meinen Bruder als Lehrling annehmen? Er begeistert sich für Glocken. Er sagt, er könne jede Glocke Barcelonas beim ersten Läuten erkennen.«
    »Die Glocken haben unterschiedliche Stimmen. Dein Bruder hat recht«, antwortete der Mann lächelnd. »Ihr Klang hängt von der Größe, der Form und der Bronzelegierung ab, aus der sie bestehen. Wir stellen Glocken her, allerdings wenige. Wir gießen große Bronzeblöcke, meistens sind das Geschütze. Tatsächlich nennt man unsere Zunft die der Kanoniere.«
    »Ich glaube nicht, dass es meinem Bruder etwas ausmacht, Kanonen herzustellen, wenn er einmal eine Glocke gießen kann.«
    »Dann sag ihm, er soll morgen zu mir kommen. Ich werde

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