Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
mit! Und überzeuge dich, dass das Seil gut abrollt.«
    Joan lief mit dem Speer in der Hand los und rief: »Macht Platz!«
    Kurze Zeit herrschte Schweigen, und dann ertönte in der Menge ein Stimmengewirr aus Flüchen, Drohungen und Warnungen. Der Platz war voller Leute, die gespannt und in respektvollem Abstand zusahen, ohne einzugreifen. Die Nachricht des Unfalls verbreitete sich rasch, und alle Handwerker der Straße ließen ihre Arbeit liegen, um zur Gießerei zu laufen. Aber keiner hielt Joan zurück, vielleicht aus Angst vor der Waffe, die der Junge schwenkte.
    »Macht Platz!«, rief er wieder.
    Er war schon in der richtigen Position und warf die Harpune, ohne weiter darüber nachzudenken. Die Waffe flog einen Augenblick, der unerträglich lang wirkte, und es klirrte, als ihre Spitze an den Ring stieß. Er hatte vorbeigeschossen.
    Da verspürte Joan einen kräftigen Schlag, und er stürzte auf den Rücken. Der Mann, der ihn angeschrien hatte, hatte ihn zu Boden geworfen. Er brummte eine Verwünschung, setzte sich auf seine Brust und hob wütend die Faust, um sie ihm ins Gesicht zu schmettern.
    »Lass ihn in Ruhe!«, rief der Meister.
    Der Mann erhob wieder die Faust. Er verspürte große Lust, dem Eindringling, der die Rettung seiner sterbenden Gefährten verhinderte, den Schädel einzuschlagen.
    »Um Himmels willen!«, donnerte der Meister. »Lass ihn in Ruhe, er kann es schaffen!«
    Mit einem Stoß schlug er den Kerl nieder, den der Zorn nicht begreifen ließ, was da geschah. Der Meister gab Joan die Hand, damit er aufstehen konnte: »Versuch es noch einmal, Junge. Möge dich der Herr leiten.«
    Als Joan wieder seine Harpune hochhob, herrschte absolutes Schweigen. Er hörte nur die Klagelaute der Eingeschlossenen und sein eigenes Herzklopfen. Alle Augen waren nun auf ihn gerichtet, und in diesem Augenblick merkte er, dass sein Arm zitterte. Er hatte schreckliche Angst vor einem Misserfolg. Und wenn er nicht in den Metallring traf und diese Männer durch seine Schuld starben? Sein Ziel befand sich weit oben. Er war daran gewöhnt, die Krümmung der Flugbahn bei waagerechten Würfen zu berechnen. Das hier war viel schwieriger. Ihn überkam ein Schwindelgefühl, und seine Augen trübten sich. Er konnte den Ring nicht genau sehen. Ungeduldiges Gemurmel kam von der Menge, die sich allmählich fragte, warum er nichts tat. Da merkte er, dass ihm eine Hand fest die Schulter drückte, und der Meister sagte zu ihm: »Los, Junge! Du schaffst es!«
    Das ermutigte ihn. Er atmete tief durch und vergewisserte sich mit einem Blick, dass Gabriel hinter ihm stand und bereit war, das Seil schnell ablaufen zu lassen. Er streckte den Arm nach hinten und warf die Harpune.
    Die Waffe folgte ihrer gekrümmten Bahn und schlug gegen den Schlussstein, genau über dem Metallring. Enttäuschtes Murren griff in der Menge um sich, und man vernahm erste Rufe, die sich gegen Joan richteten.
    Der Meister hob die Waffe vom Boden auf und gab sie dem Jungen. Diese Geste ließ die Rufe verstummen, doch die Menge blieb erregt und nervös.
    Joan versuchte es abermals, und wieder hörte man ein Klirren. Diesmal aber stießen die Eisen im Innenteil des Rings zusammen, und der Speer wurde zwar von seiner Bahn abgelenkt, doch er fiel auf der anderen Seite herunter und fädelte das Seil durch den Ring ein. Ein Triumphschrei stieg von der Menge auf, während der Speer, der nun langsamer flog, obwohl Gabriel das Seil eifrig laufen ließ, eine Kurve beschrieb, bevor er sich in den Boden bohrte.
    Der Meister ergriff ihn und erteilte Anweisungen. Im Nu band man ein anderes Seil, das die geeignete Dicke hatte, an das dünne, zog daran und ließ es durch den Ring gleiten. Dann band man das andere Ende an den Henkel der Glocke, und die Handwerker zogen, von vielen Freiwilligen unterstützt, die Bronze hoch, indem sie wieder an beiden Seilen zogen. Der Alte erteilte Anweisungen, und alles geschah in einem überraschend harmonischen Zusammenspiel, obwohl sich so viele Handwerker beteiligten, die nichts mit der Schmiede zu tun hatten. Man merkte, dass sie zur Zunft gehörten und dass sie die Arbeit kannten.
    Während einige das gewaltige Gewicht über den Köpfen ihrer Kameraden festhielten, bewegten andere äußerst behutsam die Bretter und Holzstücke, um die blutigen Körper ihrer Gefährten vorsichtig zu bergen. Joan sah, dass mehrere Bahren auftauchten, die man aus Stöcken und Tüchern zusammengebaut hatte.
    »Ins Santa-Creu-Hospital!«, sagte der Alte,

Weitere Kostenlose Bücher