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Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Muegge
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abgerissenen Töne in Nacht und Mondenlicht. Was trieb ihn dazu? War es Krankheit, ein schlafsüchtiges unbewußtes Wandeln, oder riß ihn ein böser Geist von seinem Lager und gab ihm diese wehen und leidvollen Töne ein?
Stureson wußte nicht, ob er sich einmischen oder abwarten sollte, aber mit steigender Verwunderung hörte er zu, als Olaf immer süßer und verlockender spielte, als die Töne der kleinen Geige sich zu Melodien gestalteten und wie im Jubel aufzujauchzen schienen.
Plötzlich aber sah er auf dem steilen Felsenwege am Fjord eine zweite Gestalt rasch und leicht von Stein zu Stein springen. Olaf legte sein Instrument auf die Bank, eilte zu den Stufen und streckte seine Hände aus, die von warmen Händen gefaßt wurden.
Stureson richtete sich in seiner Ecke auf, sein Blut kochte, seine Adern schwollen – es war Mary. Er unterdrückte einen fürchterlichen Fluch und lauschte bewegungslos.
»Habe ich deinen Schlaf gestört?« hörte er Olaf sagen. »Vergib mir, aber ich habe dir so vieles zu sagen.«
»Du hast mich nicht gestört«, erwiderte Mary. »Ich habe gewacht, weil ich immer an dich denken mußte, und als deine Geige aus den Birkenbüschen klang, stand ich hinter meinem Fenster und erwartete dich.«
Die beiden setzten sich auf der Bank nieder. Olaf hielt Marys Hände in den seinen und sprach mit ihr dicht Ohr an Ohr so leise, daß Stureson lange nur Weniges und Unzusammenhängendes verstehen konnte. Zuweilen glaubte er seinen Namen zu hören, zuweilen leises Bitten und Seufzen, tröstende und widerlegende Beteuerungen. Er gab sich die größte Mühe, aufmerksam zu lauschen, aber immer wilder kochte sein Zorn und immer glühender wurden die Blicke, welche er auf den verwegenen Lappen richtete. Er ballte die Fäuste zusammen und preßte sie gewaltsam an seinen Mund, um sich zum Schweigen zu zwingen.
Jetzt aber stand Olaf auf und rief im bitteren Schmerz, indem er das Haar von seiner Stirn strich: »Hier steht das Kainszeichen, Mary, hier steht es, und die grausamen Menschen sehen es immer! Was habe ich ihnen getan? Was treibt sie dazu? Daß ich der Sohn eines verachteten Volkes bin, das sie vertrieben, beraubt und elend gemacht haben, das sie noch täglich mit Füßen treten, verhöhnen und mißhandeln – alles das ist ihnen nicht genug. Was ich tun mag, um gut zu sein, wie ich streben mag nach ihrer Achtung – nichts ist mein Los als Schmach und Hohn! Ich gelte ihnen als ein Scheusal; das der Verächtlichste unter ihnen von sich stößt!«
»Und ich, Olaf, ich«, sagte Mary, ihn zu sich niederziehend, mit bittender und zitternder Stimme, »kann ich dir nichts vergelten?«
»Oh, du bist unter sie hingeworfen wie eine schöne Moosblume, die an den Felsenspalten blüht!« rief er leidenschaftlich, sich auf ein Knie werfend. »Du verachtest mich nicht! Du siehst mich an, und ich schaue in dein Herz, wo Mitleid und Liebe wohnen! Aber wohin soll es führen, Mary? Wohin soll ich fliehen, um dich von meinem Anblick zu befreien?«
»Du sollst nicht fliehen, Olaf«, erwiderte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Und wenn ich bleibe, Mary, wenn ich bleibe? Was soll ich an Trauer und Unglück dann ertragen? Was soll ich alles mit ansehen müssen? Wo ist Hoffnung für uns? – Ja, Stockfleth hat recht! Ich habe nichts zu erwarten als schmachvollen Untergang, wenn ich nicht in Demut die Hand küssen will, die mich schlägt! Oh, ich muß alles von mir werfen, was mein Dasein bis jetzt einzig erträglich gemacht hat!«
»Du hast dem Propst alles gesagt?« fragte sie leise.
»Ja, ich habe ihm alles gesagt, Mary, alles, was ich litt und leide, und daß du mein einziger Trost bist auf dieser Welt, und daß ich nur atme, weil du es willst!«
»Und was hat er geantwortet?«
»Du weißt es«, erwiderte Olaf. »Er ist gut und liebt uns, aber auch er kann nicht Steine in Brot verwandeln. Da ist keine Rettung als Entsagung. Mary, liebe Mary«, rief er dann zitternd, »zum letzten Male soll ich deine Stimme hören – soll dich zum letzten Male sehen –«
»Olaf, mein Freund, ich liebe dich ja, ich will dich nicht fortlassen!«
»Nein!« rief Olaf plötzlich laut und hart, »ich kann nicht gehen, ich kann kein Priester sein! Wo ist die Liebe Gottes, die ich preisen soll? Ich habe nichts als Schmach erfahren!«
»Olaf, mein Liebster, du weißt, daß ich nie von dir lassen werde!«
»Auch du wirst von mir weichen, Mary«, sagte er, und ein dämonisches Feuer leuchtete aus seinen Augen, »sie werden dich dazu bringen. Der

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