Am Mittwoch wird der Rabbi nass
oder auch nicht und welche, so oder so, nicht bewiesen werden können. Ihr rebbe ist wahrscheinlich ein kluger Mann und besitzt daher die tiefere Einsicht, die jeder intelligente Mensch besitzt. Mehr nicht.»
«Aber wenn er doch immer Recht hat?»
«Nein, er hat nicht immer Recht. Wenn er Recht hat, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie davon hören. Und wenn er nicht Recht hat, schreiben Sie das vermutlich Ihrer eigenen Unzulänglichkeit zu. Genauso wie Sie das Gute, das vielleicht unerwarteterweise aus Ihrem Besuch hier entsteht, der Fähigkeit Ihres rebbe , in die Zukunft zu sehen, zuschreiben werden. Passiert aber nicht weiter viel, werden Sie wahrscheinlich meinen, Sie hätten versäumt, irgendeine mizwe zu vollbringen. Beschweren Sie sich bei ihm, rät er ihnen höchstwahrscheinlich, Geduld zu haben, da Ihr Besuch hier – wie ein Stein, der in einen Teich fällt, Kreise auslöst, die bis ans Ufer ausstrahlen – der notwendige Beginn einer Folge von Ereignissen sei, die Ihnen letztlich zum Vorteil ausschlagen werden. Und Sie werden ihm glauben, vor allem, wenn später etwas geschieht, das Sie, wenn auch nur entfernt, mit Ihrem Besuch hier in Verbindung bringen können.»
«Aber wie steht’s mit dem Beweis meiner eigenen Gefühle», fragte Akiva. «Der Ruhe und Sicherheit, die ich empfinde, seit ich mich Reb Mendel und der chavura angeschlossen habe? Vorher konnte ich mich nie entscheiden, was ich tun sollte, wohin ich gehen sollte …»
«Das ist der Fluch des Denkvermögens», antwortete der Rabbi. «Darunter leiden wir alle mehr oder weniger. Die niederen Tiere, die nur nach ihrem Instinkt handeln, brauchen sich nicht mit diesem Problem rumzuschlagen. Der Impuls, etwas zu tun, unterbricht automatisch alle anderen Schaltkreise. Die Geschichte von dem Esel, der verhungert, weil er sich in gleichem Abstand von zwei genau gleichen Heuballen befindet, trifft weit eher auf Menschen zu als auf Esel. Es sind die Menschen, nicht die Tiere, die an zwei Plätzen zugleich sein wollen, die zwei Dinge gleichzeitig tun wollen. Das ist normal, aber zuweilen kommt es zu dem Punkt, da Handlungs- und Entscheidungswille gelähmt werden, und das Ergebnis ist Frustration, seelischer Schmerz, manchmal absolute Lebensunfähigkeit. Wenn man die Verantwortung für einen Teil seiner Entscheidungen einem anderen auflädt, so wie Sie Ihrem rebbe , kann es nicht überraschen, wenn die unmittelbare Wirkung dessen Ruhe und Erleichterung sind. Manche behaupten, die gleiche Wirkung zu spüren, wenn sie ihre Seele Jesus anempfehlen, jedenfalls nach Aussage eines meiner Bekannten, der sich der Bewegung ‹Juden für Jesus› angeschlossen hatte. Andere rufen die Jungfrau Maria an oder einen ganz bestimmten Heiligen oder auch den gerade besonders beliebten Guru des Ostens.»
«Aber wenn es doch hilft …»
Der Rabbi zuckte die Achseln. «Der Stress, der einen Kampf begleitet, endet stets mit der Kapitulation.»
Jonathan zog an der Hand seines Vaters. «Daddy, ich habe Hunger! Ich will nach Hause.»
«Schon gut, Jonathan. Wir gehen ja.» Und zu Akiva sagte er: «Dieser hier ist nämlich mein rebbe. Wenn er befiehlt, muss ich gehorchen.»
«Kommen Sie heute Abend zur Andacht, Rabbi? Werde ich Sie dort treffen?»
«Ich denke schon. Vielleicht lernen Sie auch Mr. Kaplan kennen, unseren Präsidenten. Bei ihm werden Sie ein offeneres Ohr für Ihre Einstellung finden.»
«Kaplan? Hat der eine Tochter namens Leah?»
«Ja. Woher wissen Sie das?»
Akiva lächelte. «Ich … ich bin mit einer Leah Kaplan zur Schule gegangen.»
13
«He, wo waren Sie denn so lange, Doc?» Die Stimme am Telefon gehörte Joe Kestler, und er war empört. «Ich habe mindestens ein Dutzend Mal bei Ihnen angerufen, aber es hat sich niemand gemeldet.»
«Am Mittwochnachmittag habe ich keine Sprechstunde», antwortete Dr. Cohen und ärgerte sich über sich selbst, weil er es für nötig hielt, eine Erklärung abzugeben.
«Also, mein Vater fühlt sich ziemlich schlecht. Er ist heiß, als hätte er Temperatur. Und dauernd muss er. Und wenn er geht, klagt er, dass es so brennt. Und ein paar Minuten später muss er schon wieder. Dasselbe hat er schon vor ein paar Monaten gehabt.»
«Tut mir Leid, aber …»
«Hören Sie, Doc – seien Sie doch nicht so! Ich weiß, Sie haben ein Recht auf Ihren freien Nachmittag. Aber es geht ihm wirklich schlecht.»
«Unter den gegebenen Umständen halte ich es für besser, wenn Sie einen anderen Arzt anrufen.»
«Woher soll
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