Am Mittwoch wird der Rabbi nass
ich am Mittwoch einen anderen Arzt kriegen?» gab Kestler zurück.
«Dann bringen Sie ihn ins Krankenhaus. Wenn Sie die Polizei anrufen, schicken die Ihnen sofort einen Krankenwagen.»
«Ja, sicher. Und wenn er im Krankenwagen stirbt? Und wenn er ins Krankenhaus kommt, und da pfuscht so ‘n junger Spund von Student an ihm rum?»
«Tut mir Leid, aber in Anbetracht des Verhaltens Ihres Vaters letzten Monat …»
«Doktor, Doktor, das war geschäftlich! Sie haben Ihren Zaun auf unserem Grund und Boden errichtet. Also hat mein Vater geklagt. Das hat doch wirklich nichts zu bedeuten. Deswegen soll keine Feindschaft sein. So verhält man sich eben im Geschäftsleben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und er verlangt ausdrücklich nach Ihnen, weil er Vertrauen zu Ihnen hat.»
Dr. Cohen wusste genau, dass er jetzt hart bleiben und sich weigern müsste, aber er sah auch den alten Mann vor sich, wie er im Bett lag und leiden musste. «Na schön», sagte er daher. «Ich komme vorbei und sehe ihn mir mal an.»
Er legte auf. «Ich muss fort», sagte er zu seiner Frau.
«Aber du wolltest doch zu Kaplans», protestierte sie.
«Es dauert nicht lange.»
«Wer ist es denn?»
Er zögerte, denn er erinnerte sich, wie wütend sie damals gewesen war. «Der alte Kestler», antwortete er widerwillig.
«Und den willst du behandeln?»
«Na ja, schließlich ist er mein Patient.»
«Aber der Mann hat dich verklagt!»
«Wahrscheinlich meint er, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. In gewisser Weise ist es auch ein Kompliment. Er verklagt mich und verlangt mich trotzdem als Arzt.»
«Das macht er nur, weil er sonst am Mittwoch keinen anderen kriegt.»
«Das ist ein weiterer Grund, warum ich zu ihm muss.»
«Na, wenn ich es wäre, die ihn behandelt, würde ich ihm was geben, was er nie wieder vergessen würde. Der würde mich nie wieder in der Not rufen.»
Er lächelte. «Gute Idee.»
Als er bereits an der Haustür war, rief sie ihm nach: «Möchtest du nachher etwas essen?»
«Vielleicht eine Kleinigkeit. Wahrscheinlich gibt es bei den Kaplans was.»
«Nimm lieber deinen Regenmantel mit», riet Miriam. «Wenn der Sturm kommt …»
«Ich war eben auf der Veranda», antwortete der Rabbi. «Es ist absolut warm draußen. Außerdem gehe ich ja nur vom Wagen zum Haus.»
«Ich sehe eigentlich nicht ein, warum du überhaupt hin musst. Kestler ist nicht mal Gemeindemitglied.»
«Darum lasse ich es mir angelegen sein, ihn regelmäßig zu besuchen. Die Pflicht, die Kranken zu besuchen, ist allen Juden auferlegt, aber die Gemeinde schiebt sie auf den Rabbi ab und betrachtet das als Sonderdienstleistung für die Mitglieder. ‹Komm in unsere Gemeinde, und du bekommst freie Krankenbesuche von unserem Rabbi.› Der Besuch bei einem Nichtmitglied weckt in mir die Illusion, dass meine Krankenbesuche alle freiwillig sind. Außerdem ist Kestler ein so unbelehrbarer alter Schuft, dass ich es als echte mizwe empfinde, ihn zu besuchen.»
Sie lachte. «Kommst du anschließend gleich nach Hause?»
«Ja … Nein, ich glaube, ich schaue noch bei den Kaplans rein. Er hat an jedem Mittwoch Empfang, und ich bin noch nie da gewesen.»
«Aber …»
«Mort Brooks deutete heute Morgen an, dass Kaplan und seine Gruppe irgendeine Gemeinheit planen.» Er lächelte. «Vielleicht schnappe ich einen Hinweis auf.»
Dr. Muntz riss das oberste Blatt von seinem Rezeptblock und reichte es Safferstein. «Es handelt sich um eine Infektion», sagte er. «Ich verschreibe ihr Penicillin, viermal am Tag, vier Tage lang. Und sie muss alle Kapseln nehmen. Das ist wichtig. Möglicherweise fühlt sie sich nach dem zweiten oder dritten Tag besser, aber sie muss die Kapseln weiter nehmen, bis die Flasche leer ist. Verstanden, Billy?» Die blassblauen Quellaugen des Arztes starrten Safferstein durchdringend an.
«Ja, natürlich. Sie muss alle nehmen», antwortete Safferstein. «Ich werde sie sofort besorgen.»
Dr. Muntz warf einen Blick auf die Uhr. «Die Drugstores sind jetzt schon geschlossen. Es hat aber bis morgen Zeit.»
«Der Town-Line Drugstore hat noch geöffnet.»
«Ja, das stimmt, glaube ich. Dann geben Sie ihr die erste Kapsel heute Abend.»
Safferstein half ihm in seinen Regenmantel.
«Kommen Sie heute Abend zu Chet, Billy?», erkundigte sich Dr. Muntz.
«Tja, ich glaube, lieber nicht. Wo Mona sich nicht wohl fühlt. Aber Sie gehen doch sicher hin.»
«Natürlich. Chet rechnet mit mir. Ich bin der offiziell anerkannte Agnostiker
Weitere Kostenlose Bücher