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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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und Zyniker. Er braucht meine Opposition, damit seine Versammlungen ein bisschen Pfeffer kriegen.» Er lachte. «Oder vielleicht bin ich das abschreckende Beispiel.»
    Safferstein grinste. «Ich hatte das Gefühl, dass Sie nur so tun.»
    «O nein, bestimmt nicht», protestierte der Arzt hastig.
    Safferstein hielt ihm die Haustür auf. «Dann versäumen Sie aber etwas, Al», sagte er ernst. «Wissen Sie, seit ich mich der Gruppe angeschlossen habe, fühle ich mich so sicher, als könnte ich überhaupt nichts falsch machen. Ich habe ein paar große Geschäfte ins Auge gefasst, und alle haben sie geklappt.»
    Der Arzt lachte abermals. «Wenn Sie meinen, Billy. Wenn Sie meinen.»
     
    Auf Dr. Cohens Klingeln öffnete ihm Mrs. Kestler, Joes Ehefrau. Sie war blond, füllig, verblüht und erinnerte ihn an das kleine Mädchen, das in der Grundschule neben ihm gesessen hatte. Die war rosig und weiß gewesen, pummelig und blond, und immer hatte ihn der Gedanke ein wenig bedrückt, dass sie jetzt wahrscheinlich wie Mrs. Kestler aussah. Mrs. Kestler war sanft und träge, und er hielt es für sicher, dass sie von ihrem Mann eingeschüchtert und von ihrem Schwiegervater ausgenutzt wurde. Als sie das letzte Mal zur Untersuchung gekommen war, hatte sie ihn gebeten, auch einen Wassermann zu machen, weil ‹Joe geschäftlich viel auf Reisen ist, und Sie wissen ja, wie es ist, wenn Männer nicht zu Hause sind›.
    «Er ist oben, Doktor», sagte sie. «Joe ist bei ihm.»
    «Schon gut, ich kenne den Weg.»
    Die Untersuchung dauerte nicht lange. Nachdem Dr. Cohen fertig war, nickte er dem Sohn zu, er möge ihn hinausbegleiten. Als sie die Treppe hinunterstiegen, sagte Joe Kestler: «Himmel, ging das aber schnell! Ihr Ärzte habt es wirklich gut.» Joe war ein großer, kräftiger Mann mit eisengrauem Haar auf seinem kugelförmigen Kopf und der platten Nase eines Berufsboxers.
    «Ihr Vater hat eine Infektion des Harntraktes», erklärte Dr. Cohen mit berufsmäßiger Unpersönlichkeit.
    «Klingt übel. Was werden Sie machen? Können Sie ihm eine von diesen Wunderdrogen verschreiben, Penicillin oder so?»
    «Ihr Vater ist allergisch gegen Penicillin, deshalb gebe ich ihm stattdessen Tetracyclin. Das wirkt genauso. Er soll viermal am Tag eine Kapsel nehmen. Und er muss sie alle nehmen, auch wenn sich die Infektion nach ein bis zwei Tagen bessert. Das ist wichtig. Am besten fängt er sofort damit an.»
    «Haben Sie Ärztemuster dabei, Doc?»
    «Ärztemuster? Nein, ich trage keine Ärztemuster mit mir herum. Ich schreibe Ihnen ein Rezept.»
    «Wo soll ich denn um diese Zeit noch ein Medikament herkriegen? Die Drugstores sind genauso schlimm wie ihr Ärzte. Die machen am Mittwoch alle früh zu.»
    «Ich glaube, der Town-Line Drugstore hat noch geöffnet», antwortete Dr. Cohen steif.
    «Dahin gehe ich nicht.»
    «Wollen Sie sagen, Sie kaufen dort nicht?»
    «Ganz recht. Ich setze keinen Fuß da rein», erklärte Kestler.
    «Aber jetzt, wo Ihr Vater krank ist …»
    Kestler schüttelte den Kopf wie ein Boxer, der sein Gehirn wieder klar kriegen will. «Ganz egal.»
    Dr. Cohen überlegte. «Vielleicht habe ich zu Hause ein Ärztemuster.» Dann kam ihm eine andere Idee. «Und wenn ich das Rezept durchtelefoniere, und die liefern es hierher?»
    «Hauptsache, ich muss da nicht hin. Aber hören Sie, Doc – sehen Sie lieber erst zu Hause nach, ob Sie da noch ein Ärztemuster haben. Ich kann ja hinter Ihnen herfahren.»
    «Das ist nicht nötig. Ich muss später noch einmal fort, dann kann ich es Ihnen vorbeibringen. Wenn ich keine Ärztemuster habe, werde ich das Rezept durchtelefonieren.»
    «Okay, Doc. Aber sehen Sie erst nach, ob Sie noch Ärztemuster haben, ja?»
     
    Am Bordstein vor dem Town-Line Drugstore waren ein halbes Dutzend Wagen geparkt. Drinnen drängten sich die Kunden, warteten ungeduldig darauf, dass jemand ihnen das Geld abnahm und ihre Einkäufe verpackte. Es war natürlich der heraufziehende Sturm, der allen Sorgen machte. Taschenlampen und Batterien wurden gekauft, kleine Erste-Hilfe-Kästen und Aspirin, Zigaretten und Schokolade. Der gesamte Vorrat an Kerzen – das Geschäft führte eine Sortiment von feinen Zierkerzen – war ausverkauft.
    Marcus Aptaker war vorn im Laden; er war der Einzige, der Kunden bediente. Lächelnd, höflich und geschickt eilte er von einem Teil des Ladens zum anderen. Jedes Mal wenn er in den Hintergrund hinüberblickte war er von einer stillen Freude erfüllt, denn dort sah er seinen Sohn in einem

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