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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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«Und warum sollte Mrs. Kestler dem alten Herrn zwei Pillen geben, wenn das Rezept eine vorschrieb?»
    Lanigan lehnt sich breit zurück. «Jetzt kommen wir in den Bereich der spekulativen Möglichkeiten, und da sehe ich zwei. Die erste und wahrscheinlichste ist, dass sie ihm zwei gab, weil sie dachte, zwei sind besser als eine. Mein Vater hätte so was zum Beispiel getan. Er nahm immer ein bisschen mehr als vom Arzt vorgeschrieben, wahrscheinlich weil er vermutete, die rezeptierte Dosis sei das Minimum, das der Patient zu nehmen habe. Damals schmeckten außerdem alle Arzneimittel scheußlich bis widerlich, und er wollte meinem Bruder Pat und mir beweisen, dass er sich überwinden konnte. Als Lehre zur Charakterstärke, sozusagen.»
    «Ohne negative Auswirkungen, vermute ich.» Der Rabbi lächelte.
    Lanigan lachte. «Ich möchte annehmen, dass die Arzneien damals, so schlecht sie schmeckten, nicht ganz so stark waren. Ausgenommen Rizinusöl.»
    «Und die zweite Möglichkeit?»
    «Ich habe das bestimmte Gefühl, dass die Pflege des Alten hauptsächlich auf den Schultern der Schwiegertochter lastete. Angenommen, sie hatte es satt, das Aschenbrödel zu sein. Angenommen, sie hatte es satt, den Alten hinten und vorn zu bedienen. Ein alter, kranker Mann kann sehr lästig werden, sehr anstrengend. Wenn sie ihm nun zwei Pillen gab, weil sie ihn gern loswerden wollte?»
    Der Rabbi zuckte die Achseln. «Und woher sollte sie wissen, dass zwei Pillen genügen?»
    «Sie hat es möglicherweise vermutet. Vielleicht hat der Doktor sie gewarnt, ihm nicht mehr als die vorgeschriebene Dosis zu geben.»
    «Aber das wäre Mord!», rief Miriam entsetzt.
    «Wenn man es ihnen nachweisen kann. Ein guter Anwalt kann Totschlag oder Tötung aus Mitleid daraus machen», erwiderte Lanigan. «Aber Sie wären erstaunt, wenn Sie wüssten, wie viele Tötungen dieser Art begangen werden: Einem Mann wird, während er einen Herzanfall hat, die Nitroglyzerinkapsel aus der Hand geschlagen, einem Diabetiker, der einen Insulinschock bekommt, wird das Stück Schokolade vorenthalten, die Sache hier in der Stadt vor ein paar Jahren mit Isaac Hirsch … Nur wenige kommen jemals vor Gericht, aber wir von der Polizei erfahren davon.»
    «Überprüfen Sie jedes Mal die Möglichkeit eines Mordes, selbst wenn es nahezu mit Sicherheit ein natürlicher Tod war?», erkundigte sich Miriam.
    «Natürlich nicht. Doch wenn der Tod jemandem überaus gelegen kommt, oder wenn jemand dadurch schwer geschädigt wird wie in diesem Fall Dr. Cohen, mache ich mir so meine Gedanken. Und manchmal horche ich ein bisschen herum.»
    «Und das sind nun Ihre beiden Möglichkeiten?», fragte der Rabbi. «Es muss doch noch eine Menge andere geben.»
    «Zum Beispiel?»
    Wieder zuckte der Rabbi die Achseln. «Die wahrscheinlichste wäre, dass im Drugstore nur neunzehn Pillen in die Flasche gefüllt worden sind. Oder Joe Kestler hat seiner Frau befohlen, seinem Vater zwei Pillen zu geben.»
    «Warum sollte er?»
    «Aus demselben Grund, aus dem Sie das Gleiche bei ihr vermuten. Und das wäre auch eine Erklärung dafür, dass Joe Kestler ein so großes Aufheben wegen der Autopsie gemacht hat. Gewiss, zwei Pillen können ihm andererseits auch überhaupt nicht geschadet haben.»
    «Ich glaube, Sie haben Recht», antwortete Lanigan bedauernd. «Es ist ja auch nur, weil Dr. Cohen in der Klemme sitzt und ich ihm gerne helfen möchte.»
    «Nun, wenn Sie noch mehr Möglichkeiten wollen …»
    «Ja, bitte?»
    «Die pharmazeutische Firma, die die Pillen herstellt, kann die Zusammensetzung ein wenig verändert haben. Oder diese spezielle Lieferung ist schlecht geworden. Oder die Pille vertrug sich nicht mit etwas, was der alte Herr genommen hatte, ohne dass Dr. Cohen davon wusste. Noch mehr?»
    «Nein danke. Ich hab’s kapiert.» Lanigan grinste ein wenig hilflos. «Ich wollte den Kestlers keinen Mord anhängen. Ich dachte nur, ich könnte meine Theorie benutzen, um Joe Kestler den großen Mund zu stopfen, damit er einem netten Mann wie Dr. Cohen nicht weiter schaden kann.»
    Der Rabbi überlegte. «Nun, zu diesem Zweck können Sie sie immer noch benutzen. Es besteht nun die Gefahr, dass Joe hinsichtlich seiner Frau nachdenklich wird, wenn Sie ihn darauf hinweisen, dass eine Pille fehlt und dass der alte Kestler daher zwei genommen haben kann. Das könnte ziemlich schlimm für Mrs. Kestler werden.»
    «Sie sind mir doch stets eine Hilfe, David», sagte Lanigan trübselig, als er sich erhob.
    Als er ging,

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