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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ebenfalls, um ihn zu fragen, ob alles in Ordnung sei, und er bat den Beamten, die Flasche mit den Pillen bei Kestler abzugeben.»
    «Ich verstehe.»
    «Dann wurde die Polizei wieder hineingezogen, als der Krankenwagen den Alten ins Krankenhaus brachte. Kestler begann an Ort und Stelle, in dem Zimmer, in dem sein toter Vater lag, Dr. Cohen zu beschuldigen. Er behauptete, sein Vater sei an den Pillen gestorben. Darum machte der Arzt, der mit dem Krankenwagen gekommen war, den Vorschlag, die Polizei solle die Pillen in Aufbewahrung nehmen.» Lanigan holte seine Brieftasche aus der rückwärtigen Hosentasche und entnahm ihr einen Zettel, den er auf den Teetisch warf. «Das ist die Kopie der Quittung, die der Sergeant ihm ausgestellt hat.»
    Der Rabbi nahm den Zettel und las laut: «Erhalten von Joseph Kestler zur polizeilichen Aufbewahrung eine Flasche mit achtzehn Pillen.» Er brach ab und sah Lanigan an. «Achtzehn?»
    «Aha, es fällt Ihnen also ebenfalls auf.»
    «Chai» , murmelte Miriam, und ihr Mann lächelte.
    Der Chief sah sie beide fragend an.
    Der Rabbi erklärte ihm, was sie meinten. « Chai heißt achtzehn auf hebräisch, aber es heißt auch Leben. Das ist eine Art Numerologie, mit der sich einige der alten Rabbis beschäftigten. Sehen Sie, das hebräische Alphabet ist zugleich ein Zahlensystem. A ist eins, B ist zwei, C ist drei und so weiter. AB wäre also zwölf, BC dreiundzwanzig und ABC einhundertdreiundzwanzig.»
    «Ich verstehe.»
    «Einige der Zahlen ergeben Wörter, und das hat zu vielen komplizierten und mystischen Bibelauslegungen geführt. Einige dieser Wörter-Zahlen-Verbindungen blieben hängen und wurden zum Allgemeingut. Eine davon war chai , achtzehn, das auch die Bezeichnung für Leben ist. Man gibt wohltätige Spenden etwa in Höhe von achtzehn oder dem Mehrfachen von achtzehn.» Er lächelte. «Und das ist überaus vorteilhaft. Wenn jemand zum Beispiel fünfzehn Dollar spenden will, ist es kinderleicht, die Spende hochzutreiben, indem man vorschlägt, die Leute sollten doch chai Dollar spenden, also achtzehn: ein Nettogewinn von drei Dollar und so gut wie schmerzlos.»
    «Und wenn dieser Jemand nun zwanzig geben will? Soll er die Spende dann aus demselben Grund auf achtzehn reduzieren?», fragte der Chief.
    Miriam lachte. «Ein guter Spendensammler würde versuchen, ihn auf sechsunddreißig hochzutreiben, dem doppelten chai .» Sie nahm ihrem Mann die Quittung aus der Hand und studierte sie. «In diesem Fall erscheint mir chai jedoch nicht so recht angebracht. Was ist Besonderes an achtzehn Pillen?»
    Der Polizeichief sah sie voll Zuneigung an. «Nun, wenn achtzehn in der Flasche sind und er eine genommen hat, dann heißt das, dass ursprünglich neunzehn vorhanden waren, und das ist eine ungewöhnliche Anzahl für ein Rezept. Außerdem stand auf dem Etikett, der Patient müsse viermal am Tag eine Pille nehmen, neunzehn waren also …»
    «Ah, ich verstehe!», sagte Miriam aufgeregt. «Sie glauben, man hat ihm zwei gegeben, und dann ist er daran gestorben.»
    «Was meinen Sie, David?» Der Chief wandte sich an den Rabbi. «Sie waren dabei.»
    Der Rabbi krauste nachdenklich die Stirn. «Warten Sie. Ich hörte die Klingel, blickte aus dem Fenster und sah den Streifenwagen. Dann kam Mrs. Kestler mit den Pillen herauf. Ich erinnere mich, dass sie den Deckel von der Flasche geschraubt und den Wattepfropfen herausgenommen hat.» Er schüttelte den Kopf. «Das ist alles. Dann habe ich mich abgewandt.»
    «Aber warum? Was war passiert?»
    Der Rabbi schüttelte den Kopf. «Gar nichts Besonderes. Sehen Sie, Kestler war ein alter Mann. Seine Hände zitterten, und sie zitterten noch stärker, wenn jemand ihm zusah. Also wandte ich mich ab, als sie ihm das Glas Wasser reichte.»
    «Dann haben Sie also nicht gesehen, ob sie ihm eine oder zwei Pillen gegeben hat?», erkundigte sich der Polizeichef.
    Der Rabbi schüttelte bedauernd den Kopf. «Worauf wollen Sie hinaus?»
    «Nun, ich habe mich noch nicht bei Dr. Cohen erkundigt», antwortete Lanigan, «aber ich dachte mir, während eine Pille harmlos sein mag, können zwei eventuell gefährlich sein. Nach allem, was der Sergeant mir sagte, scheint der Alte allergisch reagiert zu haben. Nun ist bekannt, dass Menschen, die gewisse Dinge nicht vertragen, diese jahrelang einnehmen können, ohne Schaden zu erleiden. Und dann nehmen sie mal ein winziges bisschen mehr als normal, und schon setzt die allergische Reaktion ein.»
    «Ich verstehe.» Der Rabbi nickte.

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