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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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verklagen, genau wie ich’s tun würde, wenn mein bester Freund mich mit seinem Wagen anfahren würde.»
    «Das muss ja die Versicherung zahlen», stellte Mrs. Kestler fest.
    Der Rabbi erhob sich. «Der Arzt mag einen Fehler gemacht haben», sagte er, «genau wie wir alle mal einen Fehler machen. Aber er kann auch das richtige Medikament verschrieben haben. Gehen Sie mit der Klage vor Gericht, wird das Gericht darüber entscheiden. Üble Nachrede aber gilt laut unserem Gesetz als schwere Sünde, Mr. Kestler. Unserer Tradition gemäß zieht sie die fürchterlichsten Strafen nach sich.»
    Eingedenk der missbilligenden Blicke ihres Mannes fürchtete Mrs. Kestler einen Schwall von Beschimpfungen, sobald der Rabbi das Haus verließ. Joe Kestler wahrte jedoch ein bedrückendes und finsteres Schweigen, während er in Gedanken versunken im Zimmer auf und ab wanderte. Endlich blieb er wieder stehen und sah sie an.
    «Weißt du, was der angedeutet hat?»
    «Na ja, Joe, ich glaube …»
    «Halt den Mund und hör mir zu. Dieser Cohen ist ein Mitglied seiner Gemeinde, weißt du. Deswegen muss er für ihn sorgen. Er weiß, dass ich ihn als Zeugen benennen werde, und da er ein Rabbi ist, muss er die Wahrheit sagen. Aber dieser Kerl ist schlau; er kann sie drehen und wenden, ganz wie er will. Deswegen meine ich, es wird langsam Zeit, dass ich einen Anwalt aufsuche. Bis dahin wünsche ich, dass du aufhörst, den Mund über Doc Cohen aufzureißen. Kapiert?»
    «Aber ich habe nie …» Sie sah, wie ärgerlich er war, und antwortete: «Natürlich, Joe. Ich sage kein Wort.»

21
    Wie schon so oft während dieses Wochenendes bedeckte Daniel Cohen seinen Kopf mit dem Gebetsschal. Es war Sonntagmorgen; auf dem Programm stand die letzte Meditationsübung dieser Klausur. Aber die Hoffnung, die er zu Beginn gehegt hatte, dass vielleicht, ganz vielleicht, doch etwas daran war, die war verschwunden. Jetzt empfand er nur noch eine gewisse Verlegenheit darüber, dass er, ein Arzt, ein Mann der Wissenschaft, hierher in den Wald gekommen war, um mit dem Allmächtigen zu kommunizieren … ja, warum? Um eine ausnahmsweise Aufhebung des ewigen Gesetzes von Ursache und Wirkung zu seinem persönlichen Vorteil zu erbitten?
    Gewiss, wenn er an den hohen Feiertagen zur Synagoge ging oder selbst wenn er gelegentlich einen Freitagabendgottesdienst besuchte, geschah dies angeblich zu demselben Zweck. Aber das war etwas ganz anderes. In Wirklichkeit war das eher eine Bestätigung seiner Verbindung mit der Gruppe, in die er hineingeboren worden war. Man betete dabei eigentlich nicht, sondern sprach mehr oder weniger mechanisch vorgeschriebene Gebetstexte. Es war eine gesellschaftliche Verpflichtung, etwas, was die Juden gegenseitig voneinander erwarteten.
    Dies jedoch war etwas ganz anderes. Er hatte sich aufrichtig bemüht. Wenn seine Lippen sich während der traditionellen Andachten beim Rezitieren der hebräischen Gebete bewegten, flehte er in Gedanken eindringlich auf Englisch um Hilfe. Bei den Meditationen war er stehen geblieben, bis die festgesetzte Zeit abgelaufen war, ohne sich ein einziges Mal zum Ausruhen zu setzen oder sich auch nur an die Fensterbank zu lehnen. Und an den Diskussionen hatte er stets aktiv teilgenommen.
    «Warum dürfen wir uns nicht hinsetzen und uns während der Meditation entspannen, Rabbi?»
    «Erstens, weil Sie einschlafen könnten. Bei der transzendentalen Meditation, die durch die Maharischis populär wurde, sitzt man in einer bequemen Position …»
    «Und hilft es?»
    «Oh, gewiss – als Mittel zur wohltätigen Entspannung. Es gibt einen Arzt, ich glaube, von der medizinischen Fakultät in Harvard, der hat wissenschaftliche Experimente damit gemacht, mit Kontrollinstrumenten und so weiter, und der hat festgestellt, dass dadurch tatsächlich der Blutdruck herabgesenkt wird. Vielleicht haben Sie davon gehört, Doktor. Aber das ist nichts weiter als eine Entspannungsmethode; Religion ist es auf keinen Fall. Vergessen Sie nicht, dass wir die religiöse Erfahrung wollen. Und dazu braucht man einen gewissen Zustand der Spannung, der ausgeglichenen Spannung. Die Buddhisten machen es mit der Lotosposition; im Zen wird gekniet. Die jüdische Tradition dagegen verlangt meiner Meinung nach von uns, dass wir stehen.»
    «Was halten Sie denn von dieser Gewohnheit, ein Wort oder einen Satz immer wieder herzusagen?»
    «Von dem Mantra?» Rabbi Mezzik nickte mit dem schönen Kopf. «Einige finden, dass es ihnen hilft, sich zu

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