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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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wollte der Vorsitzende seine Fairness beweisen, denn Mitch gehörte nicht zu seinen aktiven Anhängern. «Ich möchte meine Position klarstellen. Ich bin zwar dafür, dass wir den Block an Safferstein verkaufen. Ich kann mir auch eigentlich nicht vorstellen, warum jemand dagegen sein sollte, denn es ist ein gutes Geschäft. Ich meine, wenn eine Aktie auf sechzig steht und ein Makler kommt an, der mir hundert bietet, würde ich das doch auch akzeptieren, nicht wahr? Aber ich bin weniger überzeugt, dass der Erwerb des Grundstücks in New Hampshire ein gutes Geschäft ist …»
    «Haben Sie es gesehen?»
    «Nein, aber …»
    «Außerdem ist das nicht der Grund für den Antrag des Rabbi, über den wir diskutieren …»
    «O doch! Wissen Sie nicht mehr? Der Rabbi sagte …»
    «Aber es war, glaube ich, Paul Goodman, der darauf hingewiesen hat, dass …»
    «Aber er sagte …»
    «Nein, er sagte …»
    «Ruhe! Ruhe!» Kaplan hämmerte auf den Tisch. «Hören Sie, hier bekommt jeder Gelegenheit, seine Meinung zu sagen, aber wir wollen uns damit doch an den Vorsitzenden wenden, ja? Also, bevor diese ganze Diskussion außer Rand und Band gerät, möchte ich versuchen, das Thema auf eine knappe Formel zu bringen, damit wir uns alle zum selben Punkt äußern können. Ich nehme an, alle sind mit Mitch einer Meinung, dass der Verkauf des Geschäftsblocks ein gutes Geschäft für die Synagoge ist. Und ich gebe gern zu, dass einige, die dafür stimmten, gar nicht so wild darauf waren, das Grundstück in New Hampshire zu kaufen. Wenn ihr unbedingt wollt, wenn ihr meint, das könnte zu einer Kontroverse führen, bin ich bereit, die beiden Punkte zu trennen, damit wir über jeden Antrag einzeln abstimmen können. Im Augenblick aber interessiert uns weder das eine noch das andere. Es handelt sich hier nicht so sehr um die Frage, ob wir den Goralsky-Block verkaufen sollen, sondern darum, ob wir das Recht dazu haben. Der Rabbi behauptet, das hätten wir nach dem jüdischen Recht nicht, oder wir müssten wenigstens Aptaker seinen Mietvertrag geben, bevor wir den Block verkaufen. Aber ich kann euch definitiv versichern, wenn wir das täten, würde aus dem Verkauf nichts werden. Nun gibt es noch einen anderen Rechtsgrundsatz im jüdischen Recht, den ich vorgebracht habe, nämlich dass dort, wo ein Konflikt zwischen dem jüdischen Recht und dem Landesrecht besteht, das letztere Anwendung zu finden hat. Der Rabbi behauptet, das treffe auf diesen Fall nicht zu. Nun gut, wo stehen wir also? Für mich ist das eine Frage der Prioritäten. Ich neige zu der Auffassung, wenn wir einen anderen Rabbi befragen würden, wäre es möglich, dass der entscheidet, der von mir erwähnte Rechtsgrundsatz sei hier doch anwendbar …»
    «Warum fragen wir dann nicht einen anderen Rabbi», fragte Paul Goodman.
    «Weil das etwas ganz anderes ist als die Möglichkeit, die unser System vorsieht, nämlich sich an einen höheren Gerichtshof zu wenden. Dabei hebt der Spruch des höheren Gerichtshofs automatisch das Urteil des niederen Gerichtes auf. Bei uns dagegen sind alle Rabbis gleich. Einige haben einen besseren Ruf als andere, ihre Autorität ist darum aber nicht größer. Also könnten wir von einem Rabbi zum anderen laufen, und der erste würde ja sagen, der zweite nein, der dritte wieder ja und so fort. Das kann ewig so weitergehen. Nach meiner Meinung ist es an uns zu entscheiden, ob der Rechtsgrundsatz, den ich angeführt habe, hier überhaupt nicht anwendbar ist, das von dem Rabbi erwähnte Gesetz dagegen bindend, weil dies eine Synagogengemeinde ist. In diesem Fall benachrichtigen wir Safferstein, dass wir unser Versprechen, den Block zu verkaufen, zurückziehen müssen. Natürlich kann er kehrt gegen uns machen und uns wegen Vertragsbruchs verklagen, aber das glaube ich eigentlich nicht. Oder wir können entscheiden, dass der von mir erwähnte Rechtsgrundsatz uns einen Ausweg bietet, obwohl es auf der Kippe steht, und den Antrag auf Neuabstimmung ablehnen. Darüber möchte ich nun gern Ihre Meinung hören. Paul?»
    Paul Goodman erhob sich. «Ich möchte zunächst mal sagen, dass unser Präsident es geradezu meisterhaft verstanden hat, alle oberflächlichen Aspekte dieser Situation auszusondern und unsere Aufmerksamkeit auf das Kernproblem zu lenken. Nun gehört es zu den schwierigsten Dingen in der Rechtspraxis, und ich bin sicher, Chet wird mir da beipflichten, einem Klienten zu erklären, dass das Recht nicht schwarz und weiß ist. Der Klient will

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