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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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dem Korridor herum, dann schlenderten sie nach und nach zum Vorstandszimmer hinüber. An diesem Tag galten alle Gespräche dem Hauptpunkt der Tagesordnung.
    «Wenn Bill Safferstein doch nur Aptakers Mietvertrag verlängern würde; dann gäb’s überhaupt kein Problem. Seid ihr euch darüber klar? Ich begreife nicht, warum er es nicht tun will. Aptaker ist ein guter Mieter.» Oscar Levy hatte eine hohe, winselnde Stimme, sodass alles, was er sagte, wie eine Beschwerde klang.
    «Woher wissen Sie, dass er es nicht tut? Chet sollte ihn doch darum bitten.»
    «Ich weiß es eben», antwortete Levy. «Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, nach dem, was Chet neulich abends gesagt hat.»
    «Nein, er tut es nicht», sagte Manny Levine entschieden.
    Manny zweifelte nie an etwas. «Er wird ihm keinen Mietvertrag geben, weil er sauer auf ihn ist. Ganz einfach.»
    «Woher wissen Sie das?»
    «Erinnert ihr euch an unsere Mitgliederwerbung damals, vor ein paar Jahren?», sagte Manny. «Also, Billy zog Aptakers Namen. Unter anderem. Also suchte er ihn auf. Und Aptaker wies ihn nicht nur kurzerhand ab, sondern wurde auch noch ausfallend. Ich weiß noch genau, wie wütend Billy auf ihn war.»
    «Nein, so einer ist Billy Safferstein nicht», widersprach Marvin Kalbfuss. «Der trägt keinem was nach, vor allem nicht, wenn’s um was Geschäftliches geht. Ich glaube vielmehr, er will den ganzen Block frei machen und einen einzigen Riesenladen einrichten, indem er sämtliche Trennwände einreißt. Das wird bestimmt einer von diesen großen Spirituosenläden, wisst ihr? Wo man den Alkohol nur in geschlossenen Behältern kaufen kann …»
    «Woher haben Sie denn das?»
    «Na ja», antwortete Kalbfuss, «da stand was in der Zeitung, die Lenox Corporation plane eine Niederlassung an der Nordküste. Wenn Billy den Block als normalen Geschäftsblock behalten wollte, warum will er dann so viel mehr dafür bezahlen, als das Einkommen rechtfertigt? Und dann wäre es für ihn doch nur von Vorteil, wenn er den Drugstore behielte, nicht wahr? Ein Drugstore möbelt den ganzen Block auf. Na schön, vielleicht will er die Miete erhöhen, aber ich glaube kaum, dass Aptaker deswegen Krach schlagen würde. Also muss man annehmen, dass Billy etwas anderes vorhat. Und dabei kann es sich nicht nur um einen anderen Laden handeln, denn dann könnte er einen von den anderen Mietern rauswerfen, die übrigens alle keinen Mietvertrag haben. Und ihr wisst ja, dass da ein Laden leer steht. Also geht es offensichtlich um einen Plan, der mit dem ganzen Block zu tun hat. Stimmt’s? Nun fragt ihr euch …»
    «He, seht mal, wer da kommt! Al Becker.»
    «Was hat das denn wohl zu bedeuten? Der ist seit Jahren nicht mehr zu den Sitzungen gekommen.»
    «Darf ich um Ruhe bitten!» Kaplan schlug mit seinem Hämmerchen auf den Tisch. «Kommt, Leute, gehn wir an die Arbeit. Ruhe bitte!»
    Es waren einundzwanzig Mitglieder anwesend, dieselbe Anzahl wie beim letzten Mal, aber es waren nicht dieselben einundzwanzig.
     
    Zunächst einmal war der Rabbi natürlich nicht da. Und außerdem waren zwei von Kaplans engsten Anhängern abwesend. Der eine hatte geschäftlich verreisen müssen, der andere pflegte zu Hause eine starke Erkältung. Seine Frau hatte gedroht, ihn zu verlassen, wenn er den Fuß vor die Tür setzte, ‹nur um zu einer Vorstandssitzung zu gehen›. Der Sekretär hatte von jedem einen Brief, in dem er gegen den Antrag auf Neuabstimmung stimmte. Diese Briefe waren ihm auf Kaplans Anregung hin zugeschickt worden, der diese Vollmachten auch verwenden wollte, wenn es so aussah, als falle die Abstimmung nur knapp aus. Von den dreien, die an der letzten Sitzung nicht teilgenommen hatten, war einer ein normales Mitglied, das Kaplan versprochen hatte, ihn zu unterstützen. Die anderen beiden waren ehemalige Präsidenten: Ben Gorfinkle von vor ein paar Jahren, der gelegentlich zu den Sitzungen kam, und Al Becker, Nachfolger von Jacob Wasserman, dem Gründer der Synagoge, im Amt des Präsidenten, der seit Jahren nicht mehr dabei gewesen war. Chester Kaplan hieß ihn herzlich willkommen, war aber verwirrt über sein Erscheinen – und auch ein kleines bisschen beunruhigt.
    Kaplan klopfte kräftig auf den Tisch und verkündete: «Wir werden nun über den Antrag des Rabbi auf Neuabstimmung über den Verkauf des Goralsky-Blocks diskutieren. Mitch?»
    Mitch Danziger erhob sich schwerfällig. Er war ein massiger Mann mit einer erstaunlich sanften Stimme. Indem er ihn zuerst aufrief,

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