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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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halten, der Finger scheint immer direkt auf Sie zu zeigen, und die Augen sehen Sie auch unentwegt an. Ich hab mich bei den Leuten im Fotolabor danach erkundigt, und die sagten, es liegt daran, dass die Kamera direkt auf seine Fingerkuppe gerichtet wurde. Das macht die Wirkung aus.»
    «Ich wüsste gern, wer das aufgenommen hat.»
    «Das verraten sie nicht. Fast jeder könnte es gewesen sein – womöglich sogar ein Tourist. Die schleppen ihre Kameras doch dauernd mit sich rum. Bevor wir die Gegend nach der Detonation abriegeln konnten, müssen fünfzig bis hundert Leute in der Mazel Tov Street gewesen sein, und die Hälfte hatte Kameras und knipste in einem fort. Dann glückt einem von ihnen so ’ne ungewöhnliche Aufnahme, und er schickt sie vielleicht an Haolam. Für so was zahlen sie ganz gut, würde ich meinen. Oder es könnte sogar ein Pressefotograf von einer der Tageszeitungen gewesen sein.»
    «Das ist mir ja alles klar, aber wieso bringen sie das ausgerechnet jetzt? Meinen Sie, die haben was läuten hören?»
    Ish-Kosher schüttelte den Kopf. «Ausgeschlossen. Die Verhaftung ist erst vor ein paar Tagen erfolgt, und diese Nummer von Haolam muss mindestens vor zwei Wochen in Druck gegangen sein.»
    «Dass sie die Titelseite in letzter Minute auswechseln können, halten Sie für unmöglich?»
    «Möglich wäre es vermutlich», sagte Ish-Kosher vorsichtig.
    «Dazu kenne ich mich nicht genug im Druckereigewerbe oder in der Zeitschriftenbranche aus – aber was hätten sie schon davon?»
    «Vielleicht kalkulieren sie so: Wir sind kurz davor, den Fall zu lösen, und sie hätten dann ihren Knüller. Mir ist der Gedanke sehr unlieb, Chaim, dass es in unserem Laden eine undichte Stelle geben könnte.»
    «Glauben Sie mir, Abner, die Einzigen bei mir, die von der Sache wissen, sind absolut zuverlässig. Aus der Ecke haben Sie nichts zu befürchten. Ich bin überzeugt davon, dass es nur ein Zufall ist.»
    «Das wäre auch besser.»
     
    Stedman sah das Bild im Zeitschriftenständer in der Hotelhalle. Er kaufte ein Exemplar und nahm es mit auf sein Zimmer. Auch er fragte sich, warum es ausgerechnet jetzt erschien. Gehörte das zu einer raffinierten Kampagne, um das Interesse an der Angelegenheit erneut anzufachen? Sollte damit allgemeine Empörung ausgelöst werden? Würde die Tagespresse wieder beginnen, Artikel über die Explosion zu bringen? Er dachte daran, in der Zeitschriftenredaktion nachzufragen. Dann fiel ihm ein, dass er gerade dadurch Neugier erwecken und gegen seinen Willen Nachforschungen heraufbeschwören könnte. Wenn es aber Teil einer Kampagne sein sollte, und er unternahm nichts, das zu verhindern, dann …
    Er gelangte zu dem Schluss, dass er jemand brauchte, mit dem er reden konnte; dass er sich im Kreis bewegte; dass er einen Mann mit normalem, gesundem Menschenverstand brauchte, der die Situation ruhig und objektiv betrachtete.

47
    Gittel erschien frühzeitig am Freitag, um Miriam bei den Vorbereitungen für das Dinner zu helfen. «Wirklich nett von dir, Gittel, aber ich schaffe es gut allein.»
    «Hör zu, Miriam, bei mir brauchst du doch keine Umstände zu machen. Ich will mich nicht einmischen. Bei dem, was ich schon mit hunderten und aberhunderten von Familien erlebt hab, wo Schwiegertochter und Schwiegermutter in derselben Wohnung lebten, muss mir niemand erst sagen, dass keine Küche groß genug ist für zwei Frauen. Ich hatte mir vorgestellt, ich setze mich nur ruhig her und leiste dir Gesellschaft.» Aber sie konnte es doch nicht unterlassen, Ratschläge zu geben. «Eine Zwiebel in die Suppe, Miriam. Das solltest du immer tun, eine Zwiebel mitkochen. Uri sagt, dann schmeckt sie wie hausgemacht.» Auf Miriams Einwand, David möge keine Zwiebeln, antwortete sie: «Aber eine – das gibt der Sache erst den richtigen Pfiff. Und wir lassen sie ja nicht drin. Wir kochen sie nur mit. Du wirst sehen, ein ganz anderes Aroma.» Und als der Rabbi später bei Tisch die Suppe lobte, blinzelte sie Miriam zu – na, hab ich’s dir nicht gesagt?
    «Nein, Miriam, den Fisch nicht durch den Fleischwolf drehen, sondern wiegen. Ich weiß, die Amerikanerinnen machen das so, weil’s einfacher ist. Aber wenn du den Fisch durchdrehst, gibt’s eine Paste, und die wird dann beim Kochen hart.» Sie wühlte in den Schränken herum, fand das Wiegemesser und eine große Holzschüssel, nahm sie auf den Schoß und fuhrwerkte drauflos, «damit du siehst, wie du’s machen musst». Dabei schwatzte sie unaufhörlich –

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