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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Warum sollte er? Das würde die Sache für ihn nicht leichter machen. Und wenn er’s tut, würden sie sich wahrscheinlich kaum darum kümmern. Die ganze Geschichte ist ein bisschen sonderbar. Riecht nach Shin Bet. Ich hab den Eindruck, die Grenzüberschreitung kümmert sie eigentlich gar nicht. So was betrifft den Grenzschutz, würde ich denken, der dem Polizeiministerium untersteht, aber die scheinen sich nicht damit zu befassen. Der Fall wird offenbar von Jerusalem aus gelenkt. Das würde für mich heißen, dass sie in Wirklichkeit an der möglichen Verbindung mit den Sprengstoffanschlägen interessiert sind, die dort stattgefunden haben. Und wenn sie deinen Sohn damit in Zusammenhang bringen, ginge es um eine Anklage wegen Mordes. Tut mir sehr Leid, Dan, aber es hat ja keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken.»
    «Nein, gar keinen Sinn», wiederholte Stedman tonlos.
    «Jetzt solltest du vor allem erst mal einen Anwalt nehmen.»
    «Um Himmels willen, bloß nicht! Weißt du nicht, was das für Roy bedeuten würde, selbst wenn der Anwalt ihn rauspauken könnte? Ein Araber – na, der ist ein Held unter seinen Landsleuten, und selbst die Israelis haben ein gewisses Verständnis für seine Motive. Aber ein Amerikaner und Jude! Gesetzt den Fall, er käme sogar ohne Strafe davon – was für ein Leben hätte er dann? Man darf ihn keinem Gerichtsverfahren aussetzen. Du musst doch irgendwas tun können.»
    «Sei vernünftig, Dan. Ein Rechtsanwalt …»
    Stedman nickte ruhig. «Schlimmstenfalls nehme ich natürlich einen Anwalt. Aber zuerst – na, deshalb bin ich ja zu dir gekommen.»
    Donahue stand auf und schenkte sich einen Drink ein. «Wenn’s um Mord geht, ist Schluss mit den Gefälligkeiten. Da könnte auch der Botschafter persönlich nichts machen. Du kannst nicht zur Regierung eines souveränen Staates gehen und erklären, dieser Mann hat zwar einen von euren Bürgern getötet, aber ich möchte, dass ihr ihn freilasst.»
    «Nein, das geht wohl nicht.»
    «Also dann …»
    «Sag, kannst du feststellen, wer in Jerusalem dafür zuständig ist?»
    «Ich denke schon», entgegnete Donahue. «Und wozu soll das gut sein?»
    «Keine Ahnung. Ich könnte versuchen, mit dem Betreffenden zu sprechen, ihn vielleicht überzeugen. Was kann ich denn sonst tun?»
    «Ich will sehen, was ich machen kann.»
    Stedman erhob sich und ging zur Tür.
    «Dan.»
    Stedman blieb stehen.
    «Bist du sicher, dass er’s nicht getan hat?»
    Stedman zögerte. «Ich weiß es nicht. Ich mag nicht darüber nachdenken.» Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. «Ich hab das Gefühl, ich kenne meinen Sohn überhaupt nicht richtig.»

46
    Die Monatszeitschrift Haolam brachte zwar Artikel über Naturwissenschaft und Politik sowie regelmäßige Rubriken über Literatur, Kunst und Modetendenzen, war aber im Wesentlichen ein Bildmagazin. Fotos wurden nicht nur benutzt, um die Artikel zu illustrieren oder wegen ihres Nachrichtenwerts, sondern auch, weil sie einfach dramatisch oder eindrucksvoll oder technisch besonders originell waren. Aus diesem Grund brachte Haolam ein Foto auf der Titelseite, das Memavets Leiche auf dem Boden seines Wohnzimmers zeigte, obwohl sich die Erregung über den Anschlag inzwischen gelegt hatte.
    Es wurde nicht veröffentlicht, um das Interesse an dem Fall wieder zu beleben; tatsächlich gab es keinen weiteren Kommentar dazu außer einem kleinen erläuternden Vermerk in einem Kasten auf der Impressumseite. Der Grund war vielmehr, dass es sich um eine besonders eindrucksvolle, dramatische Aufnahme handelte. Das Foto zeigte Memavet, der mit angezogenen Knien auf der linken Seite lag. Der ausgestreckte rechte Arm umklammerte eine Brandyflasche wie eine Keule. Die Augen waren offen und starr, und aus der rechten Schläfe sickerte Blut. Das Ungewöhnliche an dem Foto war der Blickwinkel; die Kamera war auf die Flasche gerichtet worden, und dadurch wurde die Gestalt auf dem Fußboden phantastisch verkürzt. Genau in der Mitte des Bildes sah man den schillernden Flaschenboden. Auf dem bauchigen Teil lag die Spitze des Zeigefingers und wies direkt auf den Betrachter. Etwas tiefer die Handknöchel, die sich um den Flaschenhals spannten, und schließlich in der unteren Mitte des Bildes das nach oben gerichtete Gesicht des Toten mit den offenen, starren Augen.
    «Donnerwetter, ein tolles Foto», räumte Adoumi ein. «Aber etwas daran irritiert mich.»
    «Mich auch», bestätigte Ish-Kosher. «Egal, wie Sie’s

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