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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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der Wein, die Challa , die ganze Idee des Sabbat – wunderschön ist das. Kann etwas schön sein und keinen Sinn haben? Du selber zündest doch auch die Kerzen zu Hause an.»
    «Der Sabbat ist in Wirklichkeit keine Sache der Religion», entgegnete seine Mutter heftig, «sondern vielmehr ein wichtiger sozialer Beitrag, den wir geleistet haben.»
    «Sind nicht alle religiösen Bräuche soziale Beiträge, gesellschaftliche Errungenschaften?», fragte der Rabbi milde.
    Gittel legte den Kopf schief und überlegte. «Dein Mann hat eine merkwürdige Art, die Dinge zu betrachten, Miriam», meinte sie. Dann zum Rabbi: «Du kannst Recht haben, aber sogar eine große soziale Neuerung kann mit der Zeit zum reinen Aberglauben werden. Nimm meinen Sohn …»
    «Ach, hör auf, Gittel», protestierte Uri, «es muss doch außer mir noch andere Gesprächsthemen geben. Hast du Sarah gesehen?»
    «Ja, und Abner auch. Er war gerade im Krankenhaus, als ich kam. Und ich hab ihm ins Gesicht gesagt: ‹Abner Adoumi›, hab ich gesagt, ‹wenn du willst, dass deine Frau …›»
    «Ja, ich weiß», unterbrach Uri. «Er soll seine Stellung aufgeben.»
    «Du hast immer noch nicht erklärt, wieso sie so gefährlich ist», sagte der Rabbi.
    «Was er genau tut, weiß ich nicht, nur dass er ein hoher Regierungsbeamter ist …»
    «Mach’s halb lang, Gittel, du weißt sehr gut, dass er beim Shin Bet ist», sagte ihr Sohn.
    «Ich weiß nichts dergleichen. Weder er noch Sarah haben mir je was davon gesagt, und ich werde mich hüten zu fragen. Und ich hätte gedacht, du als Angehöriger der Armee solltest soviel Verstand haben, das nicht zu erwähnen.»
    «Wieso? Meinst du, David und Miriam werden das überall herumposaunen? Vielleicht sollte ich rausfahren und sie besuchen, wenn ich schon hier bin.»
    «Wann? Morgen? Geht nicht. Deine frommen Freunde würden das nicht zulassen, weil du fahren müsstest. Keine Besucher im Hadassa am Sabbat. Nicht mal Abner darf zu seiner eigenen Frau. Für die ist es ein schlimmes Verbrechen, und wir anderen müssen uns ihren Ansichten beugen. Dabei sind sie nicht mal echte Israelis; sogar die Sprache können sie nicht …»
    «Und die Angelsachsen und Yankees, die das Hadassa und auch dein Hospital leiten, nennst du die echte Israelis? Was die Sprache angeht, die wollen sie ja nicht mal erlernen. Manche von ihnen sind dreißig Jahre und länger hier im Land und können immer noch keine hebräische Zeitung lesen oder die hebräischen Radionachrichten verstehen.»
    «Es gibt hier also eine Frage, wer ein ‹echter Israeli› ist?», mischte sich der Rabbi freundlich in die Unterhaltung. «Für mich ist das ein Zeichen, dass der Staat völlig etabliert ist. Während der Bildung und Gründung eines Staates ist gewöhnlich keine Zeit für solche Streitigkeiten.»
    «Du verstehst das nicht, David», sagte Uri ernst. «Du bist noch nicht lange genug hier. Es ist eine Frage des Prinzips …»
    «Nein, Uri, es ist eine Frage der Logik», entgegnete der Rabbi bestimmt. «Jeder israelische Staatsbürger ist automatisch ein echter Israeli. Einige sind vielleicht typischere Vertreter als andere. Ich nehme an, ein Pekinese ist ein weniger typischer Hund als ein Dobermann, trotzdem ist er ein echter Hund. Was könnte er sonst sein? Euer Sprachtest würde viele Menschen ausschließen, die herkamen und hier starben, um das Land zu gründen. Dein eigener Vater hat auch nicht Hebräisch gesprochen, wie ich gehört habe.»
    «Mein Mann war Jiddist», erklärte Gittel steif. «Er hat aus Prinzip nicht Hebräisch gesprochen.»
    «Und die religiösen Gruppen, zumindest einige, sprechen es ebenfalls aus Prinzip nicht», sagte der Rabbi. «In ihren Augen ist es eine heilige Sprache und darf folglich nicht für weltliche Dinge benutzt werden.»
    «Niemand hat wirklich was dagegen, dass sie nicht Hebräisch sprechen oder so fremdartig gekleidet sind», meinte Gittel. «Wogegen wir Einwände haben, ist, dass diese Leute weniger als fünfzehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, aber versuchen, uns anderen ihre Bräuche aufzuzwingen.»
    «Würdest du einer politischen Gruppe das Recht absprechen, ihre Intelligenz zu benutzen, um ihren Einfluss zu vergrößern und ihre Ideen zu propagieren?», fragte der Rabbi. «Und vergiss nicht, bei ihnen ist es eine nicht nur politische Grundsatzfrage. Sie mögen sich irren, aber sie glauben, göttliche Gebote auszuführen.»
    «Fanatiker!», sagte Gittel. «Das sind sie – Fanatiker.»
    Der Rabbi legte

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